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Verschachtelte Gegensätze

Arno Brandlhuber bei den Grazer November Talks

Graz. Wer beim Berliner Architekten Arno Brandlhuber gestalten lässt, muss einiges aushalten. Vom Konventionellen und Üblichen hält der 1964 in Wasserlos geborene Deutsche nämlich wenig. Bei den Grazer November Talks am 17. November 2014 präsentierte er einige seiner ausgefallensten Positionen rund ums urbane Bauen.

Architektur heißt manchmal einfach, sich nach der Decke zu strecken. Im Fall von Berlin ist diese Decke dicht gewoben aus Bauvorschriften, Bestandsschutz und diversen anderen Auflagen, die es einzuhalten gilt, wenn man etwas Neues schaffen will. Not macht bekanntlich erfinderisch, und Arno Brandlhuber breitete in der Aula der Grazer TU ein ganzes Arsenal an Visionen aus, wie man knappen Raum in höchst funktionale, attraktive und einzigartige Wohn- und Arbeitswelten verwandelt. „Nerdisch“, also in der Art der in Gedanken versunkenen Computer-Nerds, bezeichnete er seine Ideen, die er meistens schon spielerisch ausbrütet, bevor sich überhaupt ein Klient gefunden hat.

In Köln entstand in einer Baulücke von 2,56 Metern ein Wohn- und Geschäftsgebäude mit verschachtelten Treppen („2,56“, Köln, 1996 – 1997), das konstruktiv unabhängig ausgeführt ist – gemäß Vorschrift. Treppen, so Brandlhuber, würden ohnehin stiefmütterlich behandelt. In seinen Entwürfen spielen sie oft eine zentrale Rolle. Beim „Kölner Brett“ (Köln, 1997 – 2000) gibt es kein Stiegenhaus, die einzelnen Module sind intern durch Treppen verbunden. Doppelte Raumhöhen werden so in den Loftwohnungen möglich, auf der Bauchladen-Terrasse entsteht ein begrünter, halbprivater Raum. Sehr einfach, diese Idee, aber eben „total gut“, wie Brandlhuber nonchalant zugibt.

Wohnen und Arbeiten: Dieser Gegensatz löst sich immer mehr auf. Für den postindustriellen Menschen bietet sich daher das Atelier als ideales Domizil an. Steuerlich günstig ist diese Kombination aus Wohn- und Arbeitsraum obendrein. Licht aus allen vier Himmelsrichtungen – wichtig, wenn gewohnt und gearbeitet werden soll – ist aber nur in einem freistehenden Haus oder einer großen Wohnung möglich. Und bei Arno Brandlhuber. Man nehme zwei Zündholzschachteln, lege eine flach hin und setze die zweite um 90 Grad gedreht darüber, sodass die Ecken sich berühren. Fertig ist das „Vier-Richtungsmodul“ (Berlin, 2010). Mehrere ineinandergebaut, ergeben sich zweistöckige Maisonetten mit Fenstern in alle Richtungen. Die maximale Länge der Quader ist wegen des Lichts allerdings begrenzt, deswegen schlägt Brandlhuber vor, das Ganze noch zusätzlich um 45 Grad zu drehen. Diese „Fischgräten“ sind allerdings nie realisiert worden.

Bei seinem eigenen Atelier in der Berliner Brunnenstraße griff Brandlhuber richtig tief in seine Schatzkiste aus – wörtlich zu verstehen – schrägen Entwürfen. In einer Baulücke mit Keller entstand ein Gesamtkunstwerk aus „japanischen Papierwänden“, also Polykarbonatplatten (Brandlhuber: „Sehr billig!“), einer fast mediterran anmutenden Außentreppenlandschaft mit Laubengängen und Terrassen an der Rückseite, und einem Dach, das einen Baum und eine Mini-Sauna beherbergt. Das ist Außenerschließung, die sich einerseits am Bestehenden orientiert und andererseits ein dezidiertes „fuck the context“ hinausschreit.

Im zweiten Teil des Vortrags streifte Arno Brandlhuber einige Arbeiten, die er mit „Shortcuts“ übertitelte. Sie haben alle Brückenschläge zwischen Alt und Neu gemeinsam, etwa die Aufstockung einer innerstädtischen Nachkriegsbebauung („Over the Top“,Köln 2004 – 2006), die als „Verunstaltung“ bezeichnet wurde – so lange, bis das Projekt bei der Berlin Biennale als Einreichung präsentiert wurde … Zwiespältig reagierte die Umgebung auch auf die „Antivilla“ (Krampnitz, 2010), ein ehemaliges Stofflager aus Beton mit DDR-Putz, in das eine „Lehrlingsbrigade“ dutzende kleine Fenster gemauert hatte. Im Obergeschoß der 500-Quadratmeter-Halle gibt es einen Kern mit Sauna, Bad und Treppe aufs Dach. Die Sauna soll das Gebäude heizen, Vorhänge ersetzen die Wände, gedämmt wird nicht. Die „Antivilla“ punktet optisch auch mit Fenstern, die eigentlich verglaste, in die Wand gehauene Löcher sind. Das gesamte Gebäude wirkt wie ein Angriff auf alles, was eine Villa ausmacht. „Was gibt’s da zu lachen?“ fragte Brandlhuber in das raunende Publikum. Auch bei der Architektur gilt es, Konventionen zu hinterfragen. Und natürlich auch die hohen Baustandards und die vielen Vorschriften.

Arno Brandlhuber, geboren 1964 in Wasserlos, studierte Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt und der Accademia del Arte in Florenz. Nach einer langjährigen Partnerschaft mit Bernd Kniess unter dem Namen b&k+ gründete er 2006 sein eigens Atelier unter dem Namen Brandlhuber+. Seit 2003 lehrt er Architektur- und Stadtforschung an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg.

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