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Iñaqui Carnicero | RICA | Madrid/New York/Peking

Iñaqui Carniceros (RICA) Vortrag am 8. November zur November Reihe in London

Iñaqui Carnicero ist Leiter des Architekturbüros Iñaqui Carnicero in Madrid und New York, und war Kokurator des Spanischen Pavillons bei der Biennale Venedig 2016, der als bester nationaler Pavillon mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Er ist Preisträger internationaler Auszeichnungen, darunter des Design Vanguard Awards der Zeitschrift Architectural Record und des Emerging Architects Awards der Zeitschrift Architectural Review. Daneben unterrichtete er am Polytechnikum von Madrid, wo er selber studiert hat, sowie an der Cornell University, dem California College of the Artsund in Harvard.

In seinem Vortrag ‘Unvollendet’ – der Spanische Pavillon trug ebenfalls diesen Titel – befasste sich Carnicero mit dem heiklen Thema der ungewissen Zukunft von Gebäuden sowie mit Flexibilität als strategischem Unterbau seines Wirkens als Architekt. Als Beispiele aus der Praxis präsentierte er mehrere Projekte, darunter das Pitch House, ein modernes Betongebäude in der spanischen Hügellandschaft, die Restaurierung eines Arabischen Turms für das Kulturministerium, ein Sozialwohnungsprojekt in Vallecas, ein Kulturzentrum in einem ehemaligen Schlachthaus in Madrid, und Revolution_ary House, eine Struktur, die sich für die Überwindung von Planungsbeschränkungen rotierender Elemente bedient.

An jedem einzelnen Beispiel erläuterte Carnicero die sich aus den Projektrandbedingungen ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten und verdeutlichte das architektonische Potenzial für die Weiterentwicklung, Anpassung und Transformation. Am Ende seines Vortrags ging er auf die Ausstellung ‘Unvollendet’ ein. Sie befasst sich mit den Möglichkeiten für die modernen Bauruinen, die man als Hinterlassenschaft der Finanzkrise von 2008 überall in Spanien findet.

Beim Pitch House setzt Carnicero auf eine unkonventionelle Formensprache. Er experimentiert mit unterschiedlichen Geometrien und untergräbt dabei die industrielle Natur von Beton, indem er damit scheinbar schwerelose Massen erschafft. Ähnlich unkonventionell war seine strategische Herangehensweise. So griff er für die Arbeiten auf lokale Handwerker zurück, um in einem vertretbaren finanziellen Rahmen zu bleiben.

Das Gebäude umfasst zwei Wohnungen mit asymmetrischen Räumen, die sich bei Bedarf zu einer einzigen Wohnung verbinden lassen. Das in den Hügeln mit Blick auf die Skyline von Madrid gelegene Gebäude besitzt eine lineare Glasfront, die den Horizont einrahmt. Felsen aus den umliegenden Hügeln dienen als äußere Pfeiler, und sorgfältig abgestimmte Proportionen verstärken in Verbindung mit Oberlichtern die Raumwirkung.

Pitch House wurde nach der Fertigstellung von Prominenten, wie Jose Mourinho, als Fotokulisse für die Produktwerbung genutzt, und beweist damit die Fähigkeit von Architekten, durch die Kontrolle von Materialien und Proportionen auch mit begrenzten Mitteln luxuriös bauen zu können.

Anhand der Renovierung eines Arabischen Turms erläuterte Carnicero die Bedeutung von Narrativen in der Architektur. Das drei Stunden außerhalb von Madrid gelegene historische Relikt bedurfte der Renovierung und Neubelebung. Mit dem verfügbaren Budget entstand eine Aussichtsplattform und eine Hängebrücke zu der Klippe, auf der der Turm steht.Von dort aus haben Besucher einen herrlichen Blick auf die Umgebung. Durch die Interaktion von leichten Aluminiumstrukturen mit der Schwere und Dauerhaftigkeit des Steins entsteht ein Dialog zwischen Alt und Neu, der die historische Atmosphäre des Orts zum Leben erweckt.

Anhand des Sozialwohnungsprojekts in Vallecas beschrieb Carnicero, wie er und sein Büro die Vorschriften und Beschränkungen bei Sozialbauten als Ausgangspunkt nutzten, um interessante Formen zu entwickeln, die sich von den eintönigen Ziegelstrukturen der umliegenden Sozialbauten abheben. So entstand ein Gebäude mit abgeschrägten Ecken, asymmetrischen Fenstern und markanten Lücken in der Gebäudemasse, die einerseits die Wohn-und Gemeinschaftsbereiche im Gebäude optimieren und andererseits dem Projekt eine unverwechselbare Identität verleihen.

Wegen der Wirtschaftslage arbeitete das Büro im Verlauf von sieben Jahren mit drei verschiedenen Baufirmen zusammen, um das Projekt fertig zu stellen. Während dieser Zeit entstanden in der Nachbarschaft Gebäude mit konkurrierender Ästhetik. In Anlehnung daran übernahm Carnicero das Hellgrün eines Nachbargebäudes für die Gemeinschaftsbereiche in seinem eigenen Projekt, um dem Block eine gewisse Einheitlichkeit zu verleihen.

Beim Hangar 16, einem restaurierten ehemaligen Schlachthaus in Madrid, gewann Carniceros Büro zunächst denWettbewerb, verlor dann aber wegen der Finanzkrise in Spanien den Auftrag. Um die kreative Energie und die Ideen, die in den Wettbewerb eingeflossen waren, zu bewahren, fasste das Büro seine Modelle, Konzepte und Ideen für das Projekt in einem Video zusammen, mit dem sich die Stadt Madrid schließlich dazu bewegen ließ, doch noch Geld für das Projekt aufzutreiben.

Weil nur die Hälfte des ursprünglichen Budgets zur Verfügung stand, konzentrierte sich das Büro auf zwei Gestaltungsaspekte, nämlich das restaurierte Mauerwerk und ein System von doppelt hohen Stahlschwenktüren, um den Charakter des Gebäudes zu bewahren und die kathedralenartigen Platzverhältnisse optimal auszunutzen. Die schwierigen Bedingungen des Projekts zwangen die Architekten zur Weiterentwicklung des Konzepts der Stahltüren, indem sie unter anderem deren Drehpunkte so versetzten, dass die industriell anmutenden Paneelen im Obergeschoss nach außen gleiten. Entstanden ist ein Raum, der ständig für Ausstellungen, Installationen, Projektionen, Dinner und Konzerte genutzt wird, und indem darüber hinaus die Kunstsammlung des Rathauses untergebracht ist.

Die Gelegenheit zum Experimentieren mit mobilen Mechanismen bot sich für das Büro mit dem Auftrag für ein auf dem Pitch House basierendes Wochenendhaus, das nicht mehr als30 qm Wohnfläche haben durfte.Carnicero übernahm dafür ein Element des Pitch House und schuf mit Hilfe von5 x 5m großen, rotierenden Elementen temporäre, verschiebbare Wohnräume. Auch in diesem Fall erzwangen die Projektrandbedingungen eine radikalere und kreativere Lösung, bei der mit weniger Mitteln mehr erreicht wurde.

Abschließend ging Carnicero auf den von ihm kuratierten Spanischen Pavillon ein,der die unvollendeten Bauten als eine Hinterlassenschaft der spanischen Finanzkrise zum Thema hatte. Die von ausgewählten Fotografen und Künstlern eingefangenen Bilder regen das Publikum zum Nachdenken über unterschiedliche Nutzungen für diese Strukturen an und darüber, mit welch minimalem Aufwand sich die unvollendeten Gebäude wieder bewohnbar machen lassen. Das brachte Carnicero zurück zum Hauptthema seines Vortrags, nämlich der Bedeutung des Zeitverlaufs in der Architektur, und der Philosophie, von der er sich bei seiner Arbeit leiten läßt: Scheitern als Chance zu begreifen.

Video-Interview mit Iñaqui Carnicero

Das Video finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Sto-Stiftung

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