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Harald Baumann | u3ba | Stuttgart

Harald Baumann von "u3ba" sprach am 5. Dezember zur November Reihe in Graz über "Architektur zwischen Integration und Identität"

Architektur ist Formgebung. Sie streckt ihre Fühler aus in Richtung Design und Kunst. Sie bricht Regeln, schafft Neues, verwirklicht Visionen. Doch manchmal schafft sie einfach das, wofür sie ursprünglich gedacht war: ein Dach über dem Kopf. Mit seinen innovativen und bahnbrechenden Sozialbauprojekten zeigt der Stuttgarter Architekt Harald Baumann, dass Architektur auch ein gesellschaftlicher Auftrag sein kann. Ein ästhetisch überaus gelungener noch dazu – der die November Talks 2016 der Sto-Stiftung würdig abschließt.

Dass der Stuttgarter Architekt Harald Baumann mit seinen drei Mitstreiterinnen und Mitstreitern des Büros u3ba exquisite Dächer über dem Kopf bauen kann, zeigte der flotte Rundgang durch die ersten vorgestellten Projekte. In Stuttgart-Botnang füllte er eine relativ kleine Parzelle mit „schwierigem Nachbarn“ mit einer durchdachten Split-Level-Lösung. Ein Viertel des Einfamilienhauses liegt auf dem Halbgeschoß – kein Keller stört dort das Nachbargrundstück. Ebenfalls in Stuttgart steht auf teurem Baugrund ein Doppelhaus, dessen Einheiten so geschickt ineinander verwoben wurden, dass es aussieht wie ein Einfamilienhaus. Immer wichtig bei u3ba: öffentliche und halböffentliche Räume. Ob beim Kindergarten in Holzbauweise oder bei barrierefreien Wohnungen, die einem städtischen Raum in Neu-Ulm ein neues Gesicht geben: Das Gemeinschaftliche spielt immer eine Rolle bei der Gestaltung von Wohnraum.

Überregionale Aufmerksamkeit erreichte das Büro von Harald Baumann allerdings mit ganz anderen Wohnprojekten. Mit solchen, wo Euros ebenso knapp sind wie Quadratmeter und Menschen aus prekären Situationen heraus Raum brauchen. „Wohnraumkonfiguration interessiert diese Menschen wenig, sie wollen ein Dach über dem Kopf und sind glücklich über einen Rückzugsraum.“ Harald Baumann spricht von Obdachlosen. In Ostfildern, einer Stadt im südlichen Speckgürtel von Stuttgart, war eine soziale Notunterkunft geplant. Delogierte, Langzeitobdachlose und Mütter, die vor häuslicher Gewalt fliehen, sollten dort untergebracht werden. Harald Baumann und sein Team fanden eine innovative Lösung, die ästhetisch überzeugt, aber in Wirklichkeit einen Low-Budget-Bau mit minimalen Anforderungen darstellt. Drei Kuben mit Pultdächern, gruppiert um einen öffentlichen Platz, gestaltet mit einer schwarzen Hülle aus Bitumenwellenplatten. Die weißen Fenster bilden scharfe Kontraste. „Das Design schafft mit einfachsten Mitteln die Wertigkeit eines Architektenhauses.“ Durch die geschickte Anordnung der Baukörper hält sich der Lärm in Grenzen, der Garten wird genutzt, die anfänglichen Anrainerproteste haben sich gelegt, und es gibt Kontakt mit den Bewohnern des Sozialbaus. Im Inneren verbirgt sich die spartanische, aber zweckmäßige Einrichtung. Flexible Trennwände sorgen dafür, dass die Größen der Wohnungen anpassbar bleiben.

Dann kam die Flüchtlingskrise. Plötzlich bekam der Sozialbau eine völlig neue Dimension. „Das Thema wurde früher vernachlässigt“, meint Baumann, „mit der Flüchtlingsbewegung 2015 kam es wieder auf den Tisch.“ Mittlerweile sei der soziale Wohnbau dem Büro ans Herz gewachsen, betont er. Die schwarzen Kuben für Obdachlose fanden ihren Weg zur Biennale 2016 in Venedig, wo das Thema Migration und Flucht im Mittelpunkt stand. Und sie gewannen etliche Preise als bahnbrechende Lösungen für das Wohnraumproblem. Mittlerweile besteht die Hälfte der Bewohner aus Geflüchteten. „Architektur kann in einem gewissen Maß Einfluss nehmen auf Integration und Identität der Bewohner“, meint Baumann. Die Alternative – Containeranlagen oder Modulbauten, die einander gleichen wie ein Ei dem anderen – würde nicht zum umgebenden Bestand passen und die Menschen ausgrenzen. „Flüchtlingshäuser dürfen kein ‚Markenzeichen‘ werden. Denn dann weiß jeder, wer dort wohnt. Das stigmatisiert, auch wenn das Kind Schwäbisch schwätzt.“

Ähnlich gelagert zeigt sich auch ein größeres Projekt des Büros, das 100 Wohnplätze für Flüchtlinge schafft. Ebenfalls in Ostfildern gelegen, sind die Einheiten allerdings für eine Nachnutzung als Mietwohnungen konzipiert. Der Ausführungsstandard des sozialen Wohnbaus in Deutschland ist im Vergleich zu den Low-Budget-Häusern dementsprechend hoch. Auch hier gruppieren sich kubische Bauten um einen öffentlichen Platz, an dem der gemeinschaftlich genutzte Kirschbaum stehen bleiben durfte – was für die Akzeptanz des Baus in der Umgebung zuträglich war. Der asymmetrische Stil und die moderne Blechfassade geben dem Projekt einen modernen Touch. „Solche Gebäude dürfen nicht ‚anders‘ sein“, betont Baumann wieder – Integration beginne bereits beim Wohnen.

Pressekontakt

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