„Eine Chance, die man ergreifen sollte!“
Der Architekt Stefan Prattes hat als Student im Jahr 2015/2016 das Interior Scholarship, ein gemeinschaftliches Stipendium der AIT und der gemeinnützigen Sto-Stiftung, absolviert. Er ist derzeit für das renommierte Büro Cukrowicz Nachbaur Architekten im österreichischen Bregenz tätig. Im Interview schaut er zurück auf seine Zeit als Stipendiat und gibt angehenden Architekten einen Einblick in seine Arbeit und Tipps für die eigene Karriere.
Herr Prattes, wie sah Ihr schulischer und beruflicher Werdegang aus?
Ich bin mit 14 Jahren aus der Südsteiermark nach Graz gezogen und habe dort fünf Jahre die Höhere Technische Lehranstalt (HTL) Ortwein, Sparte Möbel – Raum – Design besucht. Die HTL ist vergleichbar mit einem deutschen Gymnasium, nur dass die Schule zusätzlich einen berufsbildenden Schwerpunkt setzt – in dem Fall eine Ausbildung zum Innenraumplaner. Abgeschlossen habe ich die HTL mit Matura, dem österreichischen Äquivalent zum deutschen Abitur. Anschließend habe ich an der TU Graz Architektur mit Schwerpunkt Raumgestaltung studiert. In Österreich gibt es den Berufsstand des Innenarchitekten nicht. Während meines Masterstudiums absolvierte ich ein Praktikum bei RCR Arquitectes im spanischen Olot. Nach dem Studium lebte ich ein Jahr in Cardiff, Wales. Seit April 2018 bin ich bei Cukrowicz Nachbaur Architekten in Bregenz angestellt.
Warum haben Sie sich für den Beruf des Architekten entschieden? Was gefällt Ihnen daran?
Ich habe große Freude am Kreieren und am Werk selbst. Es macht mir Spaß, meine Gedanken und Ideen zu ordnen, zu konkretisieren und sie zu etwas Gebautem und Erlebbaren werden zu lassen. Mich fasziniert der vielfältige Prozess bis zum fertigen Produkt. Das Wertige und Schöne am Resultat zu sehen, ist jedes Mal eine Genugtuung für mich und zugleich neuer Antrieb.
Wann haben Sie das erste Mal von der Sto-Stiftung erfahren?
Das war während meines Studiums bei der November Reihe an der TU Graz. Dann sah ich einen Aushang für das Interior Scholarship am Schwarzen Brett und habe mich daraufhin beworben.
Was hat Sie motiviert?
Zum einen natürlich der finanzielle Aspekt, aber auch die Möglichkeit, mein Portfolio einzureichen und zu präsentieren, zu zeigen was ich im und abseits vom Studium gelernt und produziert habe. So bleiben die tollen Arbeiten der Studierenden nicht nur Gedanken für die Schublade.
Wie haben Sie von dem Stipendium profitiert?
Mit dem Geld verlängerte ich mein Praktikum bei RCR Arquitectes, einem Architekturbüro in Spanien, von sechs auf zwölf Monate. Das gab mir die Chance, tiefer einzusteigen und weitaus mehr Erfahrungen mitzunehmen als ich erwartet hatte. Ich konnte mir mehr Zeit nehmen, die ich sehr gut genutzt habe.
Welche Erfahrungen waren das und wie können Sie diese heute noch in Ihre Arbeit einbringen?
Ich habe gelernt, dass man Reifungsprozesse zuzulassen muss. Klar müssen Termine eingehalten werden, aber ich denke, es gibt auch immer wieder Projekte, die ihre Zeit brauchen, damit Qualität und Mehrwert, ja etwas Besonderes und Nachhaltiges, entstehen kann.
Würden Sie Studierenden empfehlen, sich für das Stipendium zu bewerben?
Auf jeden Fall! Es ist eine wunderbare, nicht nur finanzielle, Unterstützung im Studium. Das Interior Scholarship ist eine Plattform, von der aus man sich als junger Architekt sehr gut vermarkten kann. Es bietet Studierenden Öffentlichkeit, Präsenz und die Chance, ein Netzwerk aufzubauen.
Was könnte man am Stipendium insgesamt noch verbessern?
Toll finde ich die Möglichkeit, dass man regelmäßig etwas veröffentlichen kann. Damit kann man auf sich aufmerksam machen. Vielleicht könnten mehr Beiträge in der AIT gedruckt werden. Und ich würde mir wünschen, dass das Netzwerk auch nach dem Stipendium weiter gepflegt wird, es Treffen mit Alumnis gibt.
Welche Stipendien haben Sie außer dem Interior Scholarship noch absolviert?
Ich habe direkt nach dem Interior Scholarship und dem Praktikum in Spanien ein Stipendium bei der Zeitschrift DETAIL absolviert. Meiner Ansicht nach sind Stipendien und Praktika während des Studiums immens wichtig. Nur so kann man die Berufspraxis in unserem Beruf kennenlernen. Wenn man die Chance dazu hat, soll man sie ergreifen. Ein Stipendium oder auch ein Praktikum ist immer wieder auch ein Stück Selbstfindungsprozess, der einem zeigt, in welche Richtung man sich im Beruf bewegen möchte.
Wie geht es bei Ihnen in der nächsten Zeit beruflich weiter?
Ich plane meinen Hauptwohnort dieses Jahr wieder in die Heimat, aufs Land, zu verlagern. So schließt sich der Kreis einer 15-jährigen Reise. Ich gehe raus aus dem Angestelltenverhältnis und wage den Schritt in die Selbstständigkeit. Meine berufliche Tätigkeit bleibt primär die Architektur. Mein Ziel ist es, eine respektierte Schnittstelle zwischen Handwerk und Gestaltung zu etablieren. Den Dialog zwischen Kunde, Handwerker und Gestalter zu fördern. Bewusstseinsbildung für gute Gestaltung sehe ich als eine meiner Hauptaufgaben.