Details sind das Ergebnis eines Projektprozesses | Gilles Perraudin
Bei einem Architektenvortrag erwartet man in der Regel attraktive Bilder. Die Architektur von Gilles Perraudin erfüllt diese Erwartung perfekt. In der Tat sind die Fotos des Weinmuseums in Patrimonio oder der kürzlich fertiggestellten Sozialwohnungen in der Nähe von Blagnac von sehr bildlicher Natur: der Rhythmus der Schatten der Pergolen auf den Kalksandstein-Blöcken lassen uns in eine elementare, geometrische Welt eintauchen. Architekturstudenten mögen sich an Übungen und beschreibende Geometrievorlesungen im ersten Studienjahr erinnert fühlen – als zum Erschaffen eines Raumes nur einige wenige Elemente wie Wände, Balken, Treppen und Schattenzeichnungen zur Verfügung standen. Mithilfe dieser Schatten, fein säuberlich mit einem Bleistift modelliert, entstand auf einem Blatt Canson-Papier der Eindruck eines Raumes.
Dieser illusorische Raum ist oft auf die ersten Jahre des Architekturstudiums begrenzt. Architekten wie Gilles Perraudin allerdings scheinen weiter darin zu leben, obwohl dieser bereits eine lange Karriere hinter sich hat. Er zeigt synthetische, axonometrische Ansichten seiner Projekte, die beweisen, dass eine einfache Strichzeichnung durchaus die Essenz eines Architekturentwurfs ausdrücken kann. Sein Lob für die Zeichnungen von Heinrich Tessenow zeigt, dass diese Sichtweise der Architektur auf eine tiefgreifende Leidenschaft zurückgeht.
Tessenow war ein deutscher Architekt in den 1920er-Jahren, der nicht Teil des am Modernismus war. Wie andere Architekten verteidigte auch er die Vereinfachung und Vereinigung von Haustypen, wollte das Bauwesen jedoch nicht industrialisieren. Er strebte lediglich nach einer Stabilisierung des produktiven Verhältnisses zwischen Bürgertum und Handwerk. Für ihn war Tradition ein Ideal, das es zu erobern galt. Die von ihm entworfenen kristallinen Formen waren lediglich Ausdruck der handwerklichen Techniken ohne nutzlose Virtuosität. In der Tat suchte er in der Vollwertigkeit guter Handwerkskunst nach dem Wesen des “maison bourgeoise”, des bürgerlichen Hauses. Das Gleiche gilt für die Tektonik der Wand von Gilles Perraudin. Sie drückt ganz einfach den Moment ihres Erbauens aus – ein Bauteil, das nur einige Handwerker und einen Kran erfordert. Obwohl ihn das Wissen seiner Kollegen fasziniert, zieht er es vor, mit einfachen Maurern zusammenzuarbeiten.
Diese Wahrnehmung von Architektur lehnt jedwede Faszination für architektonische Details ab: Details sind lediglich das Ergebnis des Projektprozesses und vermitteln keine spezifischen Absichten. Auf die Frage eines Studenten, warum er das prächtige Fachwerk der Sporthalle in Chirens hinter einer abgehängten Decke versteckt, erklärt er ganz schlicht, dass dies den zu heizenden Raum verkleinere und dass die Softwaresimulation gezeigt habe, dass die glatte Oberfläche der abgehängten Decke die Lichtverteilung verbessert. Das Konzept des Rahmenwerks wird dadurch nicht weniger präzise, wie der nachträgliche axonometrische Schnitt zeigt: Der von Perraudin verfochtene tektonische Ausdruck ruht in der Aufrichtigkeit seines Ansatzes.
Auf dieser Prämisse gründen Perraudins militante Ansichten gegen perverse Normativen, die seiner Ansicht nach entwickelt werden, um das Baugewerbe unterstützen. So erklärt er zum Beispiel, dass Claudius Petit den Fertigbau nach dem 2. Weltkrieg aufrecht erhalten habe, um großen Firmen einen Vorteil gegenüber dem Handwerk zu verschaffen. Die gleiche Analyse könnte man auf kürzlich erlassene Gesetze anwenden, die grundlegend die Außendämmung favorisieren und damit Projekten ihren eigenen Charakter negieren. Gilles Perraudin erklärt stolz die Strategien, die er für seine Projekte plant, um die Schlupflöcher in diesen Regelungen auszunutzen. Diese Art des zivilen Ungehorsams ist aus seiner Sicht notwendig, um den Berufsstand des Architekten zu retten, der sich mit einem immer restriktiveren normativen Kontext konfrontiert sieht.
So politisch seine Vision des Architektenberufs auch sein mag, die von ihm vehement verfochtene Rückkehr zum Naturstein hat nichts mit Anti-Globalisierung zu tun. Stein ist ein edles Material, nachhaltig und wiederverwendbar. Wenn die Ökonomie eines Projekts es ökologisch tragbar macht, eine spezielle Steinart aus der Ferne zu beziehen, warum sollte man dann darauf verzichten? Schließlich wollte auch Abt Suger den Marmor für den Bau der Kathedrale von Saint-Denis bei Paris zunächst aus Rom kommen lassen, bevor er den wunderbaren Steinbruch in Pontoise entdeckte.
Gilles Perraudin bei den Sto-Stiftung Novembertalks 2015 in Paris
Sehen Sie das Interview mit Gilles Perraudin (Film | 1:15 Min.).