Boris Bernaskoni | BIT | Moskau
Boris Bernaskoni gründete nach seinem Abschluss am Moskauer Architekturinstitut sein eigenes Studio Boris Bernaskoni Architecture mit Büros in Moskau und München. Das neueste Projekt Bernaskoni, Information Technology, kurz BIT, erwuchs aus Bernaskonis Überzeugung, dass die Zukunft der Architektur untrennbar mit der Zukunft der Technologie verbunden ist.
Zu Bernaskonis Projekten gehören Matrex und Hypercube – innovative, nachhaltige Gebäude im Herzen von Skolkovo, Moskaus neuem Silicon Valley. 2007 gewann Bernaskoni einen internationalen Architektenwettbewerb für ein neues Museum im westrussischen Perm und setzte sich dabei gegen Büros wie Zaha Hadid Architects durch. Zu seinen weiteren Projekten zählen eine auf einem römischen Triumphbogen basierende Landschaftsinstallation, eine Privatvilla mit einer vollständig verwandelbaren Fassade und ein an die Vereinten Nationen gerichtetes Manifest über die Rolle von Architekten und Städten bei der Förderung des Weltfriedens.
In seinem Vortrag hob Bernaskoni das Konzept der vier E’s hervor, von denen er sich bei allen seinen Projekten leiten läßt: Economy, Ecology, Ergonomics und Efficiency. Außerdem betonte er die Bedeutung der Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit eines Gebäudes, sowohl was seine innere Funktionalität als auch was seine äußere Fassade betrifft.
Als erstes stellte Bernaskoni sein Projekt Matrex vor. Das Gebäude bedient sich zweier unterschiedlicher Formen: der Matrjoschka (eine russische verschachtelte Puppe) als Sinnbild für Kunst und Wissenschaft, die ihrerseits eingenistet ist in eine Art ägyptische Pyramide als Sinnbild für Wirtschaft und Macht. Das Gebäude besteht aus zwei pfeilerlosen Schalen mit dem Effekt, dass man bei Tag nur die Pyramide und nachts nur die Matrjoschka sieht. Die Fassade des energieeffizienten High-Tech-Gebäudes besteht aus intelligentem Spezialglas. Eine Besonderheit ist der Lift, der nicht vertikal, sondern im Neigungswinkel der Fassade verläuft.
Beim Projekt Hypercube im Herzen des Innovationszentrums Skolkovo setzte Bernaskoni auf natürliche Licht- und Wärmequellen. Abgesehen von einem Teil seiner Stromversorgung ist das 75,000 qm große Gebäude fast vollständig autark.
Das Innere des Gebäudes läßt sich leicht umgestalten. Es kann ebenso als Hort neuer Startups wie als Teil des Universitätscampus dienen und so mit der Weiterentwicklung von Skolkovo Schritt halten. Die optische Fassade kann von den jeweiligen Bewohnern des Gebäudes als Projektionsfläche für Botschaften genutzt werden.
Innovativ sind eine Betonfassade und ein Wasserkühlungssystem anstelle einer Klimaanlage. Damit kann das Gebäude trotz der zwischen -25 und +40 °C schwankenden Temperaturen in Moskau seine Innentemperatur selber regulieren.
Bernaskoni bezeichnet dieses innovative und experimentelle Gebäude als Prototyp der Architektur der Zukunft und hat es in einem Buch mit dem Titel ‘Transform’ ausführlich beschrieben. Mit einer Fülle von Zeichnungen und Maßangaben erklärt Bernaskoni alle Details des Gebäudes aus dem ihn schon als Studenten auszeichnenden Antrieb heraus, komplette Gebäude und ihre Gestaltung zu verstehen.
Als nächstes präsentierte Bernaskoni das von ihm für das Archstoyanie Festival in der russischen Region Kaluga realisierte Projekt Arc. Die 13m hohe Landschaftsstruktur liegt an der Schnittstelle zwischen dem Nikola-Lenivet Wald und dem Park. Die moderne Interpretation eines klassischen römischen Triumphbogens besteht aus geschichteten und geschweißten Lärchenbohlen von 6m Länge mit einer Öffnung in der Mitte. Neben Räumen für Künstler, Aufführungen und Veranstaltungen befindet sich im Inneren der Holzkonstruktion eine Treppe zur Hauptaussichtsplattform. Das Lärchenholz dunkelt mit der Zeit nach und passt sich so dem umliegenden Wald an.
Die Villa Mirror Mongayt, ein weiteres Projekt von Bernaskoni, entstand im Auftrag eines Privatmanns. Das zweigeschossige Rahmenhaus besitzt eine komplett verspiegelte Fassade, in der sich der Himmel und der umliegende Wald spiegeln. Die Fassade läßt sich komplett umgestalten und in fünf oder zehn Jahren an den Geschmack eines neuen Bewohners anpassen.
Als nächstes ging Bernaskoni auf seinen Siegerentwurf für das Museum in Perm ein, das er als eine Kultur- und Verkehrsdrehscheibe bezeichnet. Das Museum liegt als monolithische Struktur am Hang des Flussufers, mit einem Fußgängerweg darüber, einem Bootssteg davor and einer Bahnlinie mitten hindurch. Die Ausführung unterstreicht die Rolle der Architektur als eine Schnittstelle zur Stadt.
Im weiteren Verlauf seines Vortrags vertrat Bernaskoni die Überzeugung, dass Immobilien die wertvollste Ressource auf dem Planeten sind – wertvoller als Aktien, Schuldverschreibungen, Gold und das amerikanische Militärbudget, und wichtiger als jede Transaktion an der Börse. In Anlehnung an Winston Churchills Diktum: “Wir formen unsere Gebäude, dann formen sie uns”, betonte Bernaskoni das Potential von Architektur für die Bewältigung humanitärer Probleme. Er schloss seine Präsentation mit dem Hinweis auf sein Manifest ‘Make City Not War’ und die dazugehörige Webseite interface.city, die sich der Rolle von Städten und dem Prozess des Bauens als Grundlage für den Friedenserhalt widmen.
Am Ende kam noch die Rolle von künstlicher Intelligenz bei der Konstruktion zur Sprache. Bernaskoni betonte, dass er Computer Aided Design für die Lösung zahlreicher struktureller Probleme bei den von ihm entworfenen Gebäuden genutzt habe, speziell für das Problem der Gewichtsverteilung bei seinem Projekt Arc. Hypercube bezeichnete er als einen Prototyp der Algorithmus-Architektur, weil bei diesem Projekt zahlreiche Probleme im Bereich Ästhetik und Nachhaltigkeit zu lösen waren.
Bernaskoni sagte voraus, dass in zehn Jahren für die Gestaltung von Gebäuden nach den stilistischen Vorgaben des Auftraggebers Computerprogramme eingesetzt und dass Algorithmen einen großen Teil des Konstruktionsprozesses übernehmen werden. Er sagte ebenfalls voraus, dass in naher Zukunft, ähnlich wie Ubers nicht mehr von Menschen sondern automatisch gesteuert sein werden, auch Architekten ihre Auftraggeber nicht mehr persönlich treffen und kaum noch Kontrolle über die endgültige Gestalt von Gebäuden haben werden. Da andererseits künstliche Intelligenz keine Kunst schaffen kann, behält der Architekt aber weiterhin einen Platz im Gestaltungsprozess, der sich allerdings erheblich verändern wird.
Video-Interview mit Boris Bernaskoni
Das Video finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Sto-Stiftung