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Architektur ist, wenn man sie trotzdem macht

Saša Randić bei den November Talks am 01.12.2014 in Graz

Knappe Budgets, die Ersatzreligion „Nachhaltigkeit“, die Liebe Kroatiens zum Papst und die Macht des Stempels „FAILED“ – Saša Randić teilt aus: Sein humoristischer Rundumschlag strotzt vor Selbstironie und Gelassenheit gleichermaßen. Eine gelungene Schlussrunde für die Grazer November Talks 2014.

Pula, Rovinj, Krk: postkartengewordene Urlaubsträume der Österreicher mit ihren historischen Stadtkernen, die aussehen, als ob man die UNESCO-Dachlandschaft von Graz in die Kvarner Bucht verpflanzt hätte. Vor dieser Kulisse startet Saša Randić, 1964 in Rijeka geboren, seinen schwungvollen Vortrag der November Talks an der TU Graz.

Die Architektur in Kroatien hat eigentlich permanente Aufschwünge erlebt, erzählt er, exakt bis 2009. Und mit der Krise kam die 180-Grad-Drehung mit einem Salto rückwärts. Wo andere Architekturvorträge ihre größten Erfolge paradieren lassen, spult Randić eine ganz andere Bilderserie im Staccato ab – der Stempel „FAILED“ ziert fast jedes der Projekte aus der Abteilung „Papier-Architektur“ – bis auf jene, die „ON HOLD“ sind. Schulen, öffentliche Gebäude, Wohnbauprojekte: lauter Entwürfe, die niemals umgesetzt wurden, weil das Geld fehlte oder bei denen „administrativer Schluckauf“ die Ausführung behinderte. Bei einem „extrem reichen“ Kunden hatten Randic and Associates große Hoffnungen – der Geldgeber verschwand schließlich von der Bildfläche. Mit trockenem Humor fährt er fort: „Wir werden außerdem älter und wir werden weniger.“ Und er holt weiter aus: „Das architektonische Paradigma ändert sich von Neuem zur Erneuerung.“

Das Do-it-yourself-Narrativ

Eine weitere Herausforderung liefere die kroatische Geschichte und Identität, sagt Randić. Schwerterschwingende Helden und identitätsstiftende Narrative, die einen Bezugspunkt liefern könnten, gibt es nicht. Er nimmt das Publikum mit auf einen schnellen Exkurs durch die Geschichte Kroatiens, der Schlaglichter wirft auf die venezianische Zeit, auf Scharmützel mit den Osmanen, die Tito-Ära und schließlich das Machtzentrum der Moderne: die EU. „Wenn es keinen Referenzpunkt gibt, muss man sich selber einen machen“, erklärt er. Wie bei Nietzsche, bei dem Gott stirbt und einen weißen Fleck hinterlässt. Da kann es dann sein, dass die EU einspringen muss und das elfte Gebot formuliert: „Du sollst nachhaltig bauen.“ Wie zum Beispiel beim Museum für zeitgenössische Kunst in Rijeka. Eine zusätzliche gläserne Außenhaut sollte das Gebäude energieeffizient machen und den vorhandenen T-förmigen Bau umschließen. Dem Projekt wurde der Geldhahn zugedreht – und dieses „FAILED“ sollte nicht das einzige bleiben. Auch der zweite Anlauf – Rijeka möchte nämlich 2020 Kulturhauptstadt Europas werden – wurde nicht umgesetzt.

Engel über Rijeka

Trotz EU und ihrer Gebote ist Gott in Kroatien aber immer noch mit dem Papst verbunden, und der Papst mit der Unabhängigkeit Kroatiens – drei Besuche verbucht das Land, der letzte war im Juni 2003 durch Johannes Paul II. in Rijeka. Der Franziskanerorden gab eine Halle für die Pilger in Auftrag. Ihr Standort ist ein berühmter Wallfahrtsort: Hier sollen Engel im Jahr 1291 das Zelt der Heiligen Familie direkt von Nazareth per Luftfracht nach Rijeka transportiert haben. Randić gestaltete eine „Stiftshütte“, deren Stoff aus Ziegelsteinen besteht. Unsichtbare Kräfte dehnen das Gewebe in verschiedenen Stellen und lassen durch die Ritzen Licht ins Innere. Der angeschlossene Säulengang bildet Nischen, in denen zu Maria Himmelfahrt improvisierte Beichtstühle auf die Gläubigen warten. „Die Franziskaner sind eben sehr praktische Leute“, bemerkt Randić.

Folge dem weißen Kaninchen!

Das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden hat Saša Randić auch bei seinem Kindergarten „Katarina Frankopan“ in Krk (2006 fertiggestellt). Auf einem Hügel gelegen, zwischen Shopping Malls und Ferienhäusern, entstand auf 2.379 Quadratmetern ein buntes Wunderland aus Innen- und Außenflächen, Nischen, engen Gassen und Gärten, wie der historische Kern einer dalmatinischen Kleinstadt. Die Kinder fahren auf ihren Dreirädern durch dieses urbane Minimundus – sogar Parkplätze gibt es. Vier Einheiten gibt es für die Kleinsten, sieben für die Größeren. Randić gibt es offen zu: Bei einem Kindergarten darf man sich als Architekt alles erlauben. Egal wie bunt, kreativ und wild der Entwurf ist, man kann sich immer auf die Kinder herausreden und darf selbst wieder Kind sein – ohne Sorgen über Geldknappheit, Wirtschaftskrisen und EU-Vorschriften.

Saša Randić wurde 1964 in Rijeka, Kroatien, geboren. Er studierte an der Universität Zagreb Architektur und machte 1992 seinen MA am Berlage Institut in Amsterdam. Im Jahr 1993 gründete er „Randić-Turato“ Architects gemeinsam mit Idis Turato. Seit 2009 firmiert er als Randic and Associates und beschäftigt derzeit 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zagreb und Rijeka. Er unterrichtete an der Harvard University GSD, ETH Zürich, Berlage Institute Rotterdam, Institute for Advanced Architecture Barcelona, Rotterdam Biennale, TU München und der Buenos Aires Biennale. Derzeit liest er an der Split School of Architecture.

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