AMURS - Liebschaften | Valentin Bearth
Den zweiten Werkvortrag der diesjährigen November Reihe in Stuttgart hielt der Schweizer Architekt Valentin Bearth, Mitbegründer des in Chur ansässigen Büros Bearth & Deplazes. Die einleitenden Worte von Professor Peter Cheret galten zunächst der „Analogen Architektur“, einer Bewegung die sich am Ende von Valentin Bearths Studienzeit an der ETH Zürich zu entwickeln begann.
Deren Protagonisten rückten das Bildhafte der Architektur – Analogien und Referenzen zu Vorgefundenem sowie Vergangenem – wieder in den Mittelpunkt des architektonischen Schaffens und stellten somit die rigiden Prämissen der Moderne in Frage. Professor Cheret stellten auch das Schaffen von Bearth & Deplazes in diesen konzeptuellen Kontext.
Als Titel seines Vortrags wählte Valentin Bearth „Amurs – Liebschaften“ – und stellte seine Worte in Zusammenhang mit der gleichnamigen Wanderausstellung und Veröffentlichung seines Büros. In der 2013, anlässlich des fünfundzwanzigsten Jubiläums von Bearth & Deplazes konzipierten Ausstellung, stellen die Architekten eine persönliche Auswahl aus ihrem Werk vor, die das Wechselspiel sowohl zwischen vorhandenem und neuem als auch zwischen Landschaft und Bauwerken illustriert.
Zu Beginn nahm Bearth die Zuhörer mit auf einen gedanklichen Exkurs nach Graubünden – dem Hauptschauplatz seines architektonischen Schaffens – und gab anhand der weit zurückreichenden Beziehung von Natur und Artefakt in dieser Region eine Einführung in seine architektonische Denkweise. In der von alten Handelsrouten geprägten Alpenregion verschmilzt seit jeher die raue Bergwelt mit von Menschenhand Geschaffenem. Landschaft bedeutet für ihn in diesem Kontext Kulturlandschaft erklärt der Architekt: „Straßen, in die Landschaft gelegte Artefakte“, Tunnel und Brücken prägen diese Kulturlandschaft ebenso wie Staudämme und nicht zuletzt die natürliche Topographie des „Kantons der 150 Täler“.
Landschaft begreift er nicht als reines Panorama – immer spielt das Dreidimensionale, der Raum eine entscheidende Rolle. Bearth illustriert dieses Landschaftsbild und seine Entwicklung sowohl anhand von Kunstwerken Turners und Caspar David Friedrichs als auch mit bekannten Bauwerken. Den heutigen Alpenraum sieht er als eine von Infrastruktur-, Technik- und Freizeitanlagen urbanisierte Landschaft, die ebenso wie der städtische Kontext einer nicht isolierten Herangehensweise bedarf.
Im Anschluss brachte Valentin Bearth dem Publikum diese Anschauungen sowie seine architektonische Herangehensweise anhand von sechs ausgewählten Werken aus den Jahren 1999 bis 2014 nahe. Beginnend mit der Sesselbahn Carmenna in Arosa (2001) über das Ferienhaus auf dem Maiensäss Cania, das Weingut Gantenbein in Fläsch (2006), das Bad in St. Moritz (2014) bis hin zum Bundesstrafgericht in Bellinzona (2013) und der Monte Rosa Hütte bei Zermatt (2009) wurden dem Publikum die Bauwerke anschaulich in Wort und Bild vorgestellt.
Besonderen Wert legte er bei seinen Ausführungen auf den jeweils vorgefundenen Kontext und dessen Wechselwirkungen mit dem entstandenen Bauwerk. Einen spannenden Einblick boten sowohl die Ausführungen zu den während des Entstehungsprozesses oder nach Fertigstellung gewonnen Einsichten als auch Anekdoten zu den Projekten. Des Weiteren zeigte Bearth anhand von Kunstwerken, architektonischen Vorbildern oder Alltagsbildern vielschichtige Analogien im komplexen sowie präzisen Werk seines Büros auf. Neben der Thematisierung und Inszenierung der allgegenwärtigen Alpenlandschaft und dem Aufgreifen architektonischer Grundtypologien findet immer auch der Gedanke an die Wahrnehmung und den Umgang des Nutzers mit dem Gebäude Beachtung in die Entwürfe von Bearth & Deplazes. Mit einem grandiosen Alpenpanorama in dem die Monte Rosa Hütte bei Zermatt fast völlig mit der Berglandschaft eins wird entlässt Valentin Bearth das Publikum in die Diskussion.
Sehen Sie das Interview mit Valentin Bearth (Video | 1:24 min.).