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November Lectures | Neue Vortragsreihe an der University of East London

Ein Interview mit Professor Maria Alessandra Segantini, Kuratorin der November Reihe an der UEL

Poster November Reihe 2015 an der UEL

Professor Maria Alessandra Segantini ist die Kuratorin der neuen Novemberreihe an der University of East London(UEL). Sie ist Geschäftsführerin der international ausgezeichneten Firma C+S Architects, die 2012 den Special Prize of the Gold Medal of Italian Architecture gewann und Büros in Venedig und London hat.

Was hat Sie dazu veranlasst, eine Vortragsreihe in London zu starten?

Wie in vielen Städten in Europa stellt sich in London die Herausforderung, in einem dicht bebauten Gebiet mit historischen Einschränkungen zu planen und zu bauen. Gleichzeitig ist das aber auch eine Chance. London hat sich nach der jüngsten Wirtschaftskrise schnell erholt und ist jetzt bei diesem Thema ganz vorne mit dabei. London ist aber auch ein Ort, wo der Mensch zählt. Bürgerschaftliches Engagement – eine der größten Stärken der University of East London – findet in unserem Beruf auf vielen Ebenen statt und gilt als großartige Chance zu testen, wie Städte allen Menschen ein besseres Leben bieten können.

Gibt es bereits ein Programm? Folgt die Vortragsreihe in London einem speziellen Konzept?

Als Kuratorin der Vortragsreihe 2015 möchte ich die Frage des öffentlichen Raums in unserem komplexen Informationszeitalter ansprechen und diskutieren.

Die Vortragenden wurden aufgrund Ihrer Fähigkeit ausgewählt, die Knotenpunkte der Architektur als Beruf anzugehen. Dieser erfährt derzeit einer Reihe radikaler Veränderungen: Alle an Entwurf, Bau und Endnutzung beteiligte Interessengruppen werden an einen Tisch gebracht, um über die Zukunft des Stadtsegments, das sie verändern wollen, zu diskutieren. Das historische und kulturelle Erbe wird in diesem “–scape” (Panorama) zu einem Thema, das die Vergangenheit und die Einschränkungen als eine Herausforderung nutzt, Veränderungen herbeizuführen und bessere Orte für zukünftige Generationen zu schaffen.

51N4E und Elemental haben erfolgreich auf ganz besondere Art und Weise daran gearbeitet, den Entwurfsvorgang zu einer offenen Quelle zu machen, in der Menschen und Nutzer gemeinsam am Tisch sitzen und Entscheidungen treffen. Alejandro Aravena, Geschäftsführer von Elemental und Kurator der nächsten Architekturbiennale 2016, hat diese Themen in seine Agenda für die Biennale aufgenommen.

Bei Nieto&Sobejano und Nadaaa ist es extrem interessant, wie sie neue Technologien und Daten im Bauwesen manipulieren, ohne jedoch dabei zu vergessen, dass jedes untersuchte Thema letztendlich den Menschen dient und wie diese den öffentlichen Raum nutzen.

Sie sind eine erfolgreiche italienische Architektin und Gastprofessorin in Belgien und Professorin in England – gibt es Ihrer Ansicht nach einen oder mehrere große Trends in der Architektur? Falls nicht, worin unterscheiden sich die Bauvorhaben in den Regionen, in denen Sie tätig sind?

Persönlich habe ich mich nie wirklich für Trends interessiert. Ich sehe die Arbeit jeweils ganz speziell in dem entsprechenden Projektumfeld, aber mit einer breiter angelegten Perspektive und der Fähigkeit, weltweite Probleme anzugehen. Es sollte unser Ziel als Architekten sein, auch bei den kleinsten Eingriffen nach Problemlösungen zu streben und die Welt für die Menschen ein wenig besser zu machen. Das klingt nach einer einfachen Idee, aber sie beinhaltet eine Reihe von komplexen Betrachtungen hinsichtlich Kultur, Klima, Wirtschaft, Sozialem, Politik, Bauwesen usw.

Für Sie als Lehrende – welche Fähigkeiten und welches Wissen sollten Architekten heutzutage erwerben?

Architekturstudenten müssen spezifische Problemlöser sein, aber gleichzeitig auch sehr kreativ und kritisch denken. Sie müssen die traditionellen Bautechniken ebenso kennen wie das Potenzial zukünftiger Technologien und Daten. Das scheint ein sehr komplexes Ziel zu sein, aber durch konsequentes Üben mit ganz verschiedenen Hilfsmitteln können sie lernen, die Vielschichtigkeit unserer modernen Welt freizulegen und so den in unserem Beruf geforderten ganzheitlichen Ansatz erreichen. Ich finde es interessant, dass sich der Entwurfsgedanke nicht mehr allein auf Produkte oder Gebäude beschränkt, sondern zur Erstellung von Strategien und zur Handhabung von Veränderungen in äußerst unterschiedlichen wirtschaftlichen Panoramen genutzt wird. So werden die Lösungsansätze von uns Architekten und Planern zu einer Inspiration, die von verschiedenen Disziplinen aus betrachtet wird.

Sehen Sie Unterschiede zwischen der Ausbildung in England, Belgien und Italien?

In unserer globalisierten Welt werden die Erfahrungen der Studenten zunehmend durch mögliche Verbindungen zwischen verschiedenen Orten bereichert. Das Erasmus-Programm in Europa begann vor mehr als 20 Jahren und heutzutage findet man kaum Studenten, der nicht gerne ein Auslandssemester absolvieren wollen. Durch internationale Sommerkurse und Workshops entstehen viele weitere interessante Erfahrungen und Aktivitäten und Studenten können internationale Vorlesungen und Professoren erleben. Jede Fachhochschule bzw. Universität mit dem Studiengang Architektur hat eigene traditionelle Werte und will die Vergangenheit fortführen, aber diese neuen Möglichkeiten verbessern den Ideenfluss und die Diskussion gemeinsamer Themen zwischen den verschiedenen Institutionen. Lehre und Forschung können von diesem neuen Szenario nur profitieren.

Was hat sich verändert, wenn Sie an Ihre eigene Ausbildung zurückdenken?

Ich habe an der Universität für Architektur in Venedig studiert, wo unter anderem Aldo Rossi, Vittorio Gregotti, Manfredo Tafuri, Massimo Scolari und Bernardo Secchi gelehrt haben. Ich hatte großes Glück, eine solch starke Reihe von Professoren zu haben, die sowohl Forscher als auch großartige Architekten waren. Damals hatte die Universität von Venedig aber auch sehr gute internationale Verbindungen: unter den Gastprofessoren waren unter anderem Rafael Moneo und James Sterling. Es war eine andere Ära, aber das Interesse am Wissensaustausch war damals genauso groß wie heute.

In drei Abschnitten: Wie sieht Ihr Ansatz für zeitgenössische Architektur aus?

Da das kulturelle Erbe 70 Prozent der Arbeit in unserem Beruf ausmacht, sehe ich das kulturelle Erbe und die Transformation als integrale Bestandteile des Entwurfsvorgangs in der Architektur. Das Interesse konzentriert sich auf die Kultur-, Orts- und Materialaspekte der Zusammenhänge und im weiteren Sinne auf gesellschaftspolitische, wirtschaftliche und klimatische Einflüsse. Ich empfinde die historische Dimension als herausfordernd und inspirierend, mit einer schärfenden, hoch differenzierten, potenziellen Auswirkung auf zeitgenössische Entwürfe in der Architektur.

C+S Architects, das Büro, das ich zusammen mit meinem Partner Carlo Cappai leite, untersucht die Spezifität des Kontexts, seine Geschichte – die der Gliederung der menschlichen Handlungen in die Stofflichkeit des Ortes, aber auch die Bautechniken – seine physischen Eigenschaften, Materialität, Topografie, Schichten, Klima, seine gesellschaftspolitischen Erwartungen sowie seine wirtschaftlichen Aspekte und Potenziale als verschiedene Schichten des Kontexts. Die anfängliche Arbeit der Kartierung und Analyse definiert die Landkarte der Potenziale jedes einzelnen Ortes, ein Hilfsmittel, das Schnittpunkte und Überlagerungen zwischen diesen Schichten aufzeigt. Einerseits offenbart dies Möglichkeiten, eine Reihe von weichen technologischen Elementen in den Kontext einzupflanzen: was wir als die ”–scape adaptors” (Panorama-Adapter) bezeichnen. Die Entwurfsintervention ist die Fähigkeit, jeden “–scape adaptor” in ein weiches technologisches Element zu verwandeln. Dessen Aufgabe besteht darin, eine Beziehung mit den Kontexten herzustellen und deren vielschichtige Werte in zeitgenössische Formen zu übersetzen sowie durch das Kombinieren von Altem und Neuem eine Verbindung mit der Zeit zu schaffen. Der Gedanke der Adapter ist interdisziplinär und interskalar: Es ermöglicht den Planern, Querschnitte zwischen Maßstäben und Disziplinen herzustellen.

Die Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Integration von Architektur, Städteplanung, Landschaftsplanung und Ökologie und wird durch einen umfassenden Strategiekatalog dargestellt. Diese Strategien sollen übersetzt werden in zeitgemäße Werte, die Stärke der Umweltspezifizität, die Erwartungen der Gemeinschaften, die Kultur, die Erinnerungen und das Klima, und zwar durch das mise en forme einer hochmodernen technologischen Innovation: was wir als “TranslationArchitecture” (Übersetzungsarchitektur) bezeichnen. TranslationArchitecture ist eine zeitgemäße, kontinuierliche und grundlegende Transformation von Kontext. Architekten sind Übersetzer von Kontexten. Indem sie die zu übersetzenden Kontexte auswählen und in anderen Formen und Zeiten manipulieren, erfinden Architekten Entwürfe, die sowohl notwendig als auch unvorhersehbar sind.

Pressekontakt

a1kommunikation Schweizer GmbH
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