Nachbericht | José Morales & Sara de Giles bei der November Reihe in Graz
Der urbane öffentliche Raum im mediterranen Klima, historische Altstädte zwischen Moderne und Tourismus und dazwischen die Rolle der Architektur: Das Team des spanischen Büros MGM Morales de Giles Arquitectos brachte am 12. November 2018 Einblicke in architektonische Positionen aus Sevilla nach Graz. Der Vortrag war der zweite der Reihe in der Aula der TU Graz, veranstaltet von der Sto Stiftung.
Bessere Städte zu schaffen – das haben sich José Morales und Sara de Giles, Architektenduo aus Sevilla, als ihre Vision vorgenommen. „Wir möchten, dass Städte menschlicher werden. Als Architekten können wir den Menschen dieses Geschenk machen“, beschrieb de Giles ihre Intention. Wie ein roter Faden zieht sich die Absicht, den öffentlichen Raum zu erweitern, durch die Projekte des Büros, das nicht zu sehr wachsen, sondern sich seine Kompaktheit zum Vorteil machen möchte.
Für die Universidad Pablo de Olavida in Sevilla schuf MGM einen Neubau mit 24 Hörsälen und Institutsräumen. In der Peripherie von Sevilla gelegen, soll der Bau den Wunsch nach mehr Platz für die Bildungseinrichtung erfüllen. Einen kompletten Campus mit eigenen Straßen wollte man aber vermeiden. „Wir haben keine Stadt gebaut“, betont de Giles, „wir wollten ein einziges Gebäude, das frei in der Landschaft schwebt und das keine Prä-Urbanisation benötigt.“ Eingebettet zwischen Eisenbahn und dem bestehenden Campusgelände, schafft sich das Gebäude durch seine Strukur eigene Räume: Verschobene Blöcke, das Markenzeichen von MGM, lassen Volumina entstehen, die wie eine Höhle in den Fels gehauen wirken. Das Untergeschoß bleibt frei von Elementen. Auf einen Zaun wurde ebenso verzichtet: Die Verbindung zur Umgebung war wichtig.
Im Technopark von Cartuja entstand das Krankenhauszentrum Instituto Cartujo. Zugänglichkeit rund um die Uhr, eine funktionale Anbindung an den öffentlichen Verkehr und die strategische Anordnung der Bauelemente waren Ansprüche an das neue Gebäude. Im Untergeschoß sollten Untersuchungsräume ihren Platz finden, die Patientenzimmer in den oberen Stockwerken. Bei der äußeren Anmutung des Baus dominieren wieder verschobene Boxen, dieses Mal aus weißem, perforiertem Blech, kombiniert mit Glas. Diese Verbindung lässt natürliches Licht hindurchströmen und schafft dennoch Privatsphäre. Im Inneren hängen ebenfalls Boxen aus luftigem Gitter wie Stalagtiten von der Decke und schaffen einen geometrischen Raum. Hier fällt der – in Sevilla klimabedingt sehr erwünschte – Regen frei durch und der Wind sorgt für Belüftung. Innen- und Außenraum verschwimmen ineinander, der öffentliche Raum wird erweitert.
Auf dem Campus Urban Paris-Saclay steht ein emblematisches Projekt: das neue Lernzentrum im Herzen der Universität. Die Integration einer bestehenden breiten Durchgangsstraße und die Schaffung offener Räume für die Studierenden waren die Herausforderungen an die Architektur. José Morales und Sara de Giles entschieden sich für ein organisch geformtes, luftiges und flaches Gebäude. Gesäumt wird es von weißen Lamellen und beherbergt in seinem Inneren die Durchgangsstraße mit ihrem Fußgängerverkehr. Überall da, wo gewachsene Bäume ihren Platz einfordern, weist es Einbuchtungen auf, als hätte die mächtige Natur in den menschengemachten Raum hineingebissen. „Es gibt keine Grenze zwischen Innenraum und Außenraum“, betont José Morales. Wer durch das neue Zentrum marschiert, kann sich nicht entscheiden, ob er noch innerhalb eines Gebäudes ist oder schon draußen im öffentlichen Raum. Darauf komme es an, meint das Duo. „In Graz ist es üblich, dass der öffentliche Raum wirklich öffentlich ist. Solche freien Räume wollen wir auch bei uns schaffen“, erklärt Morales ihren Standpunkt.
Das Kloster Santa Maria de los Reyes ist das Herz eines verlassenen, halb verfallenen Teils der historischen Altstadt Sevillas. Wie viele alte Stadtzentren ist auch jenes in Sevilla zu einem Museum für Touristen geworden, während die ursprünglichen Einwohner alle wegzogen. Mit der Adaptation und Erweiterung des Klosters wollte das Studio MGM das Kloster aufwerten und zu einem attraktiven Zentrum für Kunst und Kultur machen. Ihr Projekt überzeugte die Jury beim Wettbewerb. Teppiche aus Kopfsteinpflaster verbinden die einzelnen historischen Gebäude, die sanft renoviert wurden. Der ehemalige Gemüsegarten des Klosters bleibt als freier Raum erhalten, und trotz großer finanzieller Engpässe gelang es dem Architektenduo, den Raum rund um das Kloster in einen Spazierpfad durch die Vergangenheit zu verwandeln, der gleichzeitig zum Ausstellungsraum für Kunst und zum magischen Ort der Entdeckung wurde. „Der öffentliche Raum gehört den Menschen“, betont de Giles. „Anstatt ihn verfallen und vereinsamen zu lassen, müssen wir ihn zugänglich machen.“
Programm der November Reihe in Graz
Interview mit José Morales & Sara de Giles
Das Video-Interview in Englisch finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Sto-Stiftung.