Nachbericht | Alison Brooks in Stuttgart
Die diesjährige Stuttgarter November Reihe beschließt die Architektin Alison Brooks. Die gebürtige Kanadierin kam 1988 nach London und gründete dort 1996 ihr eigenes Büro. Seitdem hat sie zahlreiche Wohnungsbauten und städtebauliche Projekte realisiert. Sie selbst sagt dazu: „Urbanes Wohnen ist die wichtigste Form im Bereich soziale Architektur, denn es beeinflusst das alltägliche Leben und die Art und Weise wie Menschen die Welt sehen“.
Ihren Vortrag mit dem Titel „Making it real – Archetypen und Ökosysteme“ beginnt Alison Brooks mit dem Verlesen eines Statements zum Thema Krisen der heutigen Zeit und kommentiert darin: „Wir überstrapazieren das Wort Krise“. Doch gerade wenn es um den Verlust von Wahrheit geht, sei es umso wichtiger, klar zu kommunizieren, was wir glauben und was wir tun. „Architektur ist weit von Fakes entfernt und ein Bekenntnis zum Realen und Wahrhaftigen“, so Alison Brooks. Im Zusammenhang mit Klima-Krise und Nachhaltigkeit ergänzt sie: „Architektur bedeutet arbeiten an einer besseren Zukunft. Wir haben dabei eine privilegierte Rolle, die mit Verantwortung einhergeht.“
Es folgt eine ausführliche Projektvorstellung, der Alison Brooks folgende Aussage voranstellt: „Archetypische Formen bilden die Basis, mit der wir arbeiten.“ Als Beispiele nennt die Architektin das Somerset House und die Londoner Wohnhausbebauung mit Terraced Houses. Beide Gebäudetypen seinen lebendig und hätten ihre Anpassungsfähigkeit schon häufig bewiesen. Für Frau Brooks ist es daher reizvoll, bewehrte Proportionen, Rhythmen und Archetypen aus der Bauhistorie wieder aufzunehmen und auf neue Projekte zu übertragen. Sichtbezüge, Durchblicke und terrassierte Etagengefüge, aber auch Geometrie, Form und Struktur müssten dabei stets zu einer Einheit ineinandergreifen.
All diese Aspekte kommen insbesondere bei den zahlreichen Projekten zum Tragen, die unerfolgreiche Gebäudestrukturen aus der Nachkriegszeit neu strukturieren und damit ganze Wohnquartiere städtebaulich aufwerten. Alison Brooks nennt diese Aufgabe „Re-building London’s Modernist Utopias”. Ein Beispiel dafür ist der Ely Court London. Frau Brooks bricht hier die rigide Stadtstruktur auf, stellt neue Sichtachsen her und macht damit das gesamte Quartier nicht nur attraktiver, sondern auch sicherer. Zum Wohnungsbau im Allgemeinen sagt sie ganz klar: „Meine Bedingung, ein Bauprojekt anzunehmen ist, dass jeder Wohnungsbau Raumhöhen von mindestens 2,60 Meter haben muss und Fenster mit französischen Balkonen ausgestattet sein müssen. Außerdem denke ich, jedes Haus sollte einen Vorbau im Eingangsbereich haben.“
Weitere außergewöhnliche Wohnungsbau-Projekte, die mit der Identität ihres Standortes und so mit der gebauten Umgebung in Dialog treten, sind das Exeter College Cohen Quad in Oxford und der Urban Tower in der Nähe von King’s Cross in London. Letzterer nehme den Geist und die architektonische Qualität des Bahnhofes auf und transferiere das Bogenmotiv in den Neubau. Mit dem Bogenmotiv habe sich das Büro eines Bauelementes angenommen, dass lange im zeitgenössischen Bauen abgelehnt wurde, so Frau Brooks. Die Entwicklung eines schlüssigen Wohnkomplexes beginnt dabei stets mit dem maximalen Volumen, aus dem Alison Brooks Team nach und nach Bereiche entnimmt, um Licht in die Anlage und einzelnen Gebäudeteile zu bringen. Von zentraler Wichtigkeit ist für die Architektin mit ihren Projekten „kulturelle und ökologische Systeme zu gestalten“.
Als finales Projekt zeigt Frau Brooks ihren Beitrag auf der Biennale 2018 mit dem Titel „ReCasting“, das die Wirkung von Architektur unmittelbar erfahrbar machte und beendet ihren Vortrag mit dem Appell: „Liebe deine Archetypen, gestalte Ökosysteme und sei dabei wahrhaftig“.
Interview-Video
Alison Brooks spricht über die Verantwortung von Architekten im Hinblick auf Umweltschutz.