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Emilio Tuñón | Emilio Tuñon Arquitectos | Madrid

Am 3. November präsentierte Emilio Tuñón von Emilio Tuñon Arquitectos seinen Vortrag.

Emilio Tuñón: Die Kunst des Verschwindens

Emilio Tuñón gründet die Agentur Mansilla + Tuñón mit Luis Mansilla in 1992. Zusammen bauen sie zahlreiche öffentliche Einrichtungen (Museen, Hörsäle, Archive, Schwimmbäder) in verschiedenen spanischen Städten mittlerer Größe (Zamora, Cáceres, León, Lalín) und genießen rasch internationales Ansehen. Jedes ihrer Projekte demonstriert mit Eleganz, wie sich die historischen Stadtzentren mit einer zeitgemäßen Architektur zurückerobern lassen, welche Radikalität beweist und zugleich respektvoll mit dem Ort umgeht. Sie bekennen sich zu einer entschieden kontextuellen Architektur und sprechen gern davon, dass sie ihre Bauten mit dem gleichen Feingefühl in den Ort einfügen, mit dem sich ein Einsiedlerkrebs in einer alten Muschel einnistet.

Ihr Renommé wächst mit den Jahren und die Agentur gewinnt Wettbewerbe und erhält Aufträge in China, den Vereinigten Emiraten und Afghanistan. Diese neuen Auftragsgebiete, die einer ungezügelten urbanen und wirtschaftlichen Entwicklung unterliegen, verlangen andere Werkzeuge als jene, die üblicherweise eingesetzt werden, um die historischen Städte Europas zu verstehen. In Kabul, Dubai und Nanjing wurden die traditionellen sozio-urbanen Strukturen innerhalb einiger Jahrzehnte zerstört. Die Seele der alten Städte mit ihren Geschichten hat sich zurückgezogen, um Platz für die spröden Unorte der Globalisierung zu machen. Das macht es für europäische Architekten, die sich dem genius loci verpflichtet fühlen, schwierig, Orientierungspunkte für ihre gestalterische Tätigkeit zu finden. Wie ist es Tuñón gelungen, außerhalb seines gewohnten Arbeitsumfeldes tätig zu sein? Welchen Ansatz hat er gewählt bzw. für welche Herangehensweise hat er sich entschieden?

Während verschiedene theoretische Standpunkte wie die Postmoderne oder der kritische Regionalismus die Idee vertraten, man könne das Problem der Projekte „ohne Identität“ lösen, indem man charakteristische Elemente der regionalen Kultur (Ornamente, Materialien, Konstruktionsprinzipien, räumliche Ordnung, Atmosphäre usw.) neu interpretiere, stellt sich Tuñón dem Konzept des an den lokalen Kontext angepassten Projekts entgegen. Er zieht es vor, der Tradition der klassischen Moderne seines Lehrmeisters Rafael Moneo treu zu bleiben und erliegt weder den Aufzählungen der konzeptuellen Diagrammatik noch der Okö-Tech-Architektur, beides beliebte Trends der globalisierten Architekturproduktion. Seine, wie er selbst sagt „strenge“ Herangehensweise setzt Mittel und Konzepte ein, die der Disziplin der Architektur selbst eigen sind. Die fundamentalen Elemente der Architektur (Boden, Stütze, Mauer, Durchbruch) sind Ausdruck und Grundlage seines puren Stils, der mit grundsätzlichen räumlichen Gegensätzen spielt (Vielfältigkeit-Gleichheit, Wiederholung-Abwechslung, Systematik-Ausdruckskraft), wie Aldo van Eyck es dreißig Jahre vor ihm tat.

Man könnte denken, dass die methodische Strenge des Architekten und seine ständigen Verweise auf die Sprache der klassischen Moderne zu einheitlichen oder monotonen Bauten führten. Aber tatsächlich ist dem keineswegs so. Jedes seiner Projekte ist einzigartig und fügt sich völlig in seinen Standort ein. Bei den spanischen Projekten beruht die gelungene städtebauliche Einbindung auf dem subtilen Verhältnis von Umfang, Materialien und den Blickbeziehungen zwischen dem neuen Gebäude und seiner Umgebung, bei den Projekten im Ausland begründet sich die Übereinstimmung mit dem Bestand dagegen nicht auf raffinierten Baukörpern, sondern vielmehr auf der typologischen Analogie mit dem bestehenden städtebaulichem Kontext. So stellen die zwei im Winkel stehenden Wolkenkratzer in Dubai und die Villa in Nanjing, welche - Haut und Gerippe voneinander gelöst - über der Wiese schwebt, zwei Interpretationen der Miesschen Archetypen dar, die sich perfekt in ihre jeweilige Umgebung integrieren - ob urban oder ländlich. In Kabul stellt Tuñón einen modularen und überbordenden Grundriss vor, der den holländischen Strukturalismus in Erinnerung ruft, in dem aber auch Anklänge an islamische Raumordnungen und die Bazare in der Nachbarschaft zu finden sind.

Tuñóns typologische Vorgehensweise ist Ausdruck seines Bestrebens, sich in den städtebaulichen Kontext zu integrieren und spricht von einem städtebaulichen Verständnis, das Architektur in der Stadt als ein kollektives Werk begreift, welches der ganzen Gesellschaft gehört. Da es dem Respekt gegenüber dem bestehenden Gewebe mehr Bedeutung einräumt als einzelnen architektonischen Gesten, bekennt sich das Büro weder zu einem eigenen „Stil“ noch zu eine „Methode“. Dennoch erreicht es eine große Stringenz in seinem Ausdruck und Vorgehen. In Wirklichkeit ist Tuñóns erklärtes Ziel das Verschwinden ihrer Architektur: „Unser Ideal wäre es, man würde unsere Bauten gar nicht wahrnehmen und der Blick würde auf die Dinge fallen, welche sie umgeben, so als würden unsere Bauten den Blick einrahmen. Damit man nicht unsere Bauten sieht, sondern durch unsere Bauten etwas sieht. […] Wenn es uns gelingen würde, Architektur zu schaffen, die den Raum wahrnehmbar macht, den ein Gebäude um sich herum lässt und die dafür sorgt, dass sich der Innenraum anderen Räumen zuwendet […], das wäre wirklich fantastisch“. Die Architektur wird weniger als Objekt, sondern eher als Ort gesehen, an dem aus „woanders“ immer ein „hier“ wird.

Video-Interview mit Emilion Tunon

Das Video finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Sto-Stiftung

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