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ARCH+ Praktikum | Melissa Koch | Blog 01/2019

Von Normen und Daten

 

Melissa Koch

Normen und Standards spielen im Design eine so große Rolle wie selten zuvor. Sie formen und überformen unsere materielle Kultur und stellen die Grundlage einer immer komplexer werdenden datenbasierten Vernetzung dar, in der Prozesse, Systeme, Maschinen, Rohstoffe und Menschen miteinander kommunizieren. Das thematische Spektrum, das sich daraus im Hinblick auf die Architektur ergibt, ist groß, und kaum in eine lineare Erzählung zu bringen. Dennoch versuchten wir mit der Ausgabe ARCH+ 233, an der ich mitgearbeitet habe, Schlaglichter auf die geschichtliche Entwicklung sowie auf aktuelle Tendenzen der „Norm-Architektur“ zu werfen.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen des demografischen Wandels und der Wohnungsnot in den Städten gewinnen Formen von Standardisierung und Typisierung, wie zum Beispiel die modulare oder serielle Bauweise, wieder zunehmend an Relevanz. Der Serienbau, der in Deutschland zunächst in den 1920er-Jahren und dann vor allem in der Nachkriegszeit als Möglichkeit der Zeit- und Kostenreduktion im Bauen vielfach Verwendung fand, wird gerade aufgrund ebenjener jüngeren Historie heute gemeinhin mit mangelnder Flexibilität und gestalterischer Monotonie gleichgesetzt. Damit führt er genau jenes Spannungsfeld vor, das paradigmatisch für die Auseinandersetzung mit dem Thema steht und nach einer kritischen Revision der starr funktionalistischen Raster-Typologien verlangt – hin zu hybrideren Formen, in denen Universalität und Spezifität, Kollektiv und Individuum sowie die fortschreitende Ausdifferenzierung von Lebensstilen und Wohnformen gleichermaßen „Raum“ finden.

In einem anderen, wenngleich daran anknüpfenden Zusammenhang steht auch die Frage nach dem Einfluss neuer Technologien auf Prozesse der Normung. So wird Digitalisierung in der Architektur im Zuge der zunehmenden Verbreitung von Building Information Modeling (BIM) und anderen standardisierten sowie standardisierenden Computerprogrammen oftmals als eine Form von Normierung wahrgenommen, die selbst für spezifische Fragestellungen nur noch generische „vorgefertigte“ Lösungsansätze bereithält. Doch würde es zu kurz greifen diese Logiken der (Uni)-Formalisierung als per se computerinduzierte Entwicklungen zu bestimmen; vielmehr sind sie Resultat eines kulturellen Settings und gesellschaftlicher, vor allem marktförmiger Dynamiken, Machtkonstellationen und Interessenlagen, die sich in die Computercodes und Softwarelogiken einschreiben beziehungsweise darin eingeschrieben werden. Diese werden in der Heftpublikation kritisch in den Blick genommen.

Inhaltlich anschließend an das Thema der Digitalisierung wird die darauffolgende ARCH+ Ausgabe Datatopia (die auf einer gleichnamigen, an vier Tagen im Spätsommer in der Floating University in Berlin ausgetragenen internationalen Summer School aufbaut) dann näher auf den gesellschaftlichen Wandel fokussieren, der durch die neuen Informationstechnologien und Big Data ausgelöst wurde, und der – über Aspekte der Normierung weit hinausgehend – den Menschen in seinen sozialen, politischen, ökologischen sowie ökonomischen Werte- und Produktionssystemen ganz grundlegend infrage stellt. Bei der im Rahmen der Initiative projekt bauhaus geförderten Forschungsarbeit geht es in Anlehnung an die Bauhaus-Parole von 1923 „Kunst und Technik – eine neue Einheit!“ nicht zuletzt darum, auszuloten, wie Gestaltung im Verbund mit den neuen Technologien heute als Katalysator gesellschaftlicher Emanzipation wirksam werden kann.

Die Stipendienprogramm von ARCH+ ist so vielschichtig wie das Aufgabenspektrum des Diskursorgans ARCH+ selbst. Am meisten interessiert mich dabei die inhaltliche Auseinandersetzung am Text im Spannungsfeld zwischen politischer Theorie und gestalterischer, raumbildender Praxis. Ich denke, dass es vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert notwendig sein wird – und dazu gibt mir das Stipendium bei ARCH+ die Möglichkeit –, aktiv daran zu arbeiten, den Vorstellungshorizont für unsere Zukunft zu weiten und einen Begriff von Veränderung zu entwickeln, als etwas, das es positiv – by design – zu gestalten gilt und das sich nicht negativ – by disaster – immer wieder selbst herstellt (Finanzkrise, Eurokrise, „Flüchtlingskrise“ etc.).

Melissa Koch studierte Architektur und Kunstgeschichte/ Philosophie am Karlsruher Institut für Technologie und als Gaststudentin an der HfG Karlsruhe sowie an der Kunstakademie Düsseldorf. Nach ihrem Studium kooperierte sie mit der Stadt Mannheim und dem Quartiersmanagement Neckarstadt-West hinsichtlich der Entwicklung eines bildungsintegrativen Stadtteilkonzepts. Sie war unter anderem für Atelier Bow-Wow und Studio Velocity in Japan tätig. Nicht nur die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis, sondern auch jene zwischen den Disziplinen Architektur, Kunst und Technologie interessiert sie im Hinblick auf die Frage, wie gesellschaftliche Transformation lanciert und Konzepte für bessere Zukünfte entworfen werden können.

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