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Nachbericht | Sergei Tchoban bei der November Reihe 2017 in London

Architektur als eine Kraft des Gleichgewichts

Sergei Tchoban ist russischer und deutscher Architekt, der an vielen großen Projekten in Städten in ganz Deutschland und Russland arbeitet. Tchoban wurde in St. Petersburg geboren und begann dort seine Karriere in der Architektur. Er hat aber auch lange in Deutschland gelebt und gearbeitet, wo er heute ein großes Büro zusammen mit Ekkehard Voss, die Tchoban Voss Architekten, leitet.

Tchoban arbeitet in Moskau mit der Agentur Speech zusammen, die er gemeinsam mit dem Architekten Sergey Kuznetsov gegründet hat und er leitet auch die Sammlung von architektonischen Zeichnungen des 20. und 21. Jahrhunderts, die Tchoban Foundation. Neben anderen Projekten hat Speech den Russischen Pavillon an der Architektur-Biennale 2012 in Venedig kuratiert und das Museum für architektonische Zeichnungen in Berlin entworfen, das die Sammlung der Tchoban Foundation beherbergt.

Bei Tchobans Vortrag mit dem Titel „Architektur als eine Kraft des Gleichgewichts“ ging es um die sich verändernden Strukturen von Städten. Tchoban vertrat die Auffassung, dass es in der Architektur von Städten ein Verhältnis geben sollte, bei dem 30 Prozent der Gebäude Kult-Charakter haben sollten und 70 Prozent davon in ihrer Form und Funktion bescheidener sein sollten. Er beschrieb diese Gebäude im Hintergrund als einfach, normal und kommerziell.

Das Zeichnen ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Tchoban und er zeigte einige seiner Schwarz-Weiß-Zeichnungen, um den Reichtum und die Details zu würdigen, die Gebäude im Hintergrund den Städten bringen.

Die erste Darstellung einer Straße in St. Petersburg zeigte einen ikonischen Turm umgeben von weniger auffallender aber gleichermaßen gefälliger Architektur. Die nächste bildet eine Reihe von Hintergrund-Gebäuden entlang einem Kanal in Venedig ab, beide mit ihren eigenen, charakteristischen architektonischen Zügen und alle auf Funktionalität ausgerichtet. Bei der nächsten Zeichnung eines Platzes in Brüssel, die die Architektur von 1680 zum Thema hat, ging es um den Reichtum an Details an den dekorativen Fassaden, die für diese Epoche typisch waren. Die letzte Zeichnung eines Bezirks von Gent, stellte Gebäude aus dem 13., 16. und 20. Jahrhundert dar, die sorgsam in das Stadtbild eingefügt wurden.

Tchoban kam dann auf den Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zu sprechen, als die zeitgenössische Architektur eine völlig andere Form einnahm. Die nächste Zeichnung stellte zeitgenössische Gebäude in New York dar, die in hartem Kontrast zu einander stehen. Um die machtvolle Sprache der zeitgenössischen Architektur zu illustrieren, verwendete er ein Bild einer blauen Zone, die in eine klassische Statue eingefügt worden war. Anschließend zeigte er ein Bild derselben Zone, die in die Architektur einer ikonischen und zeitgenössischen Galerie eingefügt war, bei der man diese nicht wahrnimmt, und verglich dieses Bild mit einem Wolkenkratzer der Londoner Skyline. Wenn sich alle Gebäude quasi mit derselben Lautstärke bemerkbar machen, so führte er aus, dann geht der Kontrast verloren.

Als nächstes Bild zeigte Tchoban eine fiktive Collage von verschiedenen ikonischen, zeitgenössischen Gebäuden Seite an Seite und verglich diese mit einer Architektur-Ausstellung, die für einen Zeitraum von einem halben Jahr konzipiert war. Städte, so führte er aus, brauchen bescheidene Gebäude als Grammatik. Wie Gold um einen Edelstein herum sind es die Gebäude darum herum, die den Edelstein zur Geltung bringen. Er führte Tokio als Beispiel einer Stadt an, in der jedes Gebäude seine eigene Sprache spricht, aber keines mit dem anderen kommuniziert.

Als Russland Moskau als Hauptstadt der Sowjetunion wieder aufbauen musste, so argumentierte er, war das die erste Stadt, die völlig neue und fortschrittliche Strukturen einer historischen Kulisse gegenüberstellte.

Tchoban fuhr fort, Bilder vorzuführen, die den Kontrast zwischen alter und neuer Architektur und bescheidenen und gewöhnlichen Teilen sichtbar machten und verwendete dafür Beispiele von seinen eigenen, abgeschlossenen Projekten – dazu gehörten ein Glaselement auf dem Hintergrund einer historischen und ornamentalen Kulisse und die herausragende, strukturierte Fassade eines sonst gewöhnlichen Gebäudes.

Tchoban brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, wieviel Wert heute darauf gelegt wird, Gebäude mit Kultstatus zu schaffen, obwohl es bei vielen Aufträgen um sehr einfache, sehr pragmatische, kommerzielle Gebäude geht.

Tchoban schloss seinen Vortrag, indem er über die Kunst des Eingehens auf Details sprach und über die Bedeutung von Oberfläche und Textur, wenn es darum geht, Gebäuden einen humanen Appeal zu geben. Er verwendete dafür Bilder von Istanbul, San Francisco und Mailand, um den Reichtum an Textur sichtbar zu machen, den Gebäude einer Stadt geben können. Die Beachtung von Details bei Bauelementen und Oberflächen, so argumentierte er, ist bei Hintergrundgebäuden ebenso wichtig wie bei Kultgebäuden.

Während der Frage- und Antwortrunde vertrat er die Ansicht, dass aus jedem Gebäude ein Kultgebäude würde, wenn man es dem Architekten oder dem Kunden überlassen würde. Es sei die Rolle von Planern und dem für die Gesamtplanung Zuständigen, das Gleichgewicht der Architektur in großen wie in kleinen Städten zu bewahren.

Interview mit Sergei Tchoban

Das Video finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Stiftung.

November Reihe

Die November Reihe mit hochinteressanten Vertretern der zeitgenössischen Architektur gibt es mittlerweile an sechs europäischen Universitäten in Graz, London, Mailand, Paris, Prag und Stuttgart. Die Sto-Stiftung fördert die Veranstaltungen.

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