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Making Sense of our Times | Kevin Carmody und Andrew Groarke

November Reihe 2015 an der Universität Stuttgart

Zu zweit sind die Partner des Londoner Architekturbüros Carmody Groarke zum Vortrag nach Stuttgart gereist und bedankten sich zunächst bei Fakultät und Sto-Stiftung für die Einladung.

Der mit „Making sense of our times“ betitelte Vortrag des Australiers Kevin Carmody und des Briten Andrew Groarke beginnt mit einer historischen Aufnahme Edwin Lutyens. Der britische Architekt (1869-1944) errichtete 1919 in London den „Cenotaph“, ein Denkmal für die gefallenen Soldaten des ersten Weltkriegs. Als temporäres Monument für eine Parade aus Holz und Putz gefertigt, wurde der Cenotaph ein Jahr später als dauerhaftes Mahnmal umgesetzt. Diese Geschichte bezeichnet Andrew Groarke als Referenzpunkt für die Arbeit seines Büros – denn die Projekte und Interventionen von Carmody Groarke setzen sich mit dem Temporären und dem Dauerhaften, dem Erinnern und der Identitätsstiftung sowie dem intensiven Vortesten im Modell auseinander.

Der Eine und die Vielen; das Temporäre und das Dauerhafte

Eines ihrer ersten Projekte erzählt von der Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Antony Gormley. Für die 2007 realisierte Rauminstallation „Blind Light“ wurde ein Glaspavillon mit eiskaltem, hell beleuchteten, dichten Nebel angefüllt. Der Besucher, der sich in die Installation begibt, verliert sofort die Orientierung und wird dadurch auf sich selbst zurückgeworfen. Groarke erläutert, wie dieses Projekt dem Büro verhalf, intensiv über die individuelle und kollektive Präsenz und Teilnahme von Menschen an und in Architektur nachzudenken: der Eine und die Vielen; das Temporäre und das Dauerhafte. In diesem Wechselspiel stehen die Entwürfe und die intendierten Raumempfindungen des Büros Carmody Groarke – hier liegt auch der Schwerpunkt ihres architektonischen Forschens.

Ein kollektiver Ort des Erinnerns

Am 7. Juli 2005 wurden in London bei Bombenattentaten 52 Menschen getötet. Ein Architekt, so Groarke, könne nicht ohne Bauherr, ohne konkrete Aufgabe bauen. Doch wie entwirft man für 52 verstorbene Individuen – für 52 Menschen, die unfreiwillig zu Auftraggebern und Bauherren für Carmody Groarke wurden? In enger Zusammenarbeit mit den hinterbliebenen Familien entwickelte das Büro den Entwurf eines Denkmals im Londoner Hyde Park: eine Installation abstrakter Stelen, die dem Einzelnen gerecht werden soll und doch eine kollektive Einheit bildet. Durch den Produktionsprozess der jeweils 850 Kilo schweren, in ein Sandbett gegossenen 52 Edelstahlstelen erhält jedes Objekt eine ganz individuelle Oberfläche. Die symmetrische Anordnung im Park bildet dennoch einen kollektiven Ort des Erinnerns.

Restaurantpavillon auf Zeit

Nun übernimmt Kevin Carmody den eindrücklichen Vortrag und spricht von temporären Projekten und Installationen, die dem Büro eine schnelle, spielerische Arbeitsweise und das Experimentieren im 1:1-Modell ermöglichen. Zunächst: ein Restaurantpavillon auf dem Dach eines Parkhauses mit Blick über die Londoner Olympiabaustelle im Sommer 2010. Von der ersten Idee über den Bau, die Nutzung und den Rückbau hatte dieses Projekt eine Lebenszeit von nur elf Wochen – und steht damit im Kontrast zu einem über Jahre geplanten, „für die Ewigkeit“ konzipierten Ort des Erinnerns. Die temporäre Struktur aus geliehenen Schalungsbrettern, Gerüstelementen und einer Dachhaut aus Polyethylen beherbergte in ihren radial auseinander strebenden "Seitenflügeln" je einen langen Holztisch. Die Gäste speisten in der Gruppe mit Blick über die damals größte Baustelle Europas.

Soziales Miteinander und Identität

Ein ähnliches Konzept verfolgten die Architekten bei der „Filling Station“, einer ehemaligen Tankstelle am Regent´s Kanal im Londoner Stadtteil King´s Cross. Das Projekt gab zwei Sommer lang mit Kulturprogramm, Bar und Restaurant einem im Umbruch befindlichen Stadtteil einen „Ort“ zurück, an dem soziales Miteinander und Identität entstehen konnte.

Eine überzeugende Idee aus dem Vorgefundenen

Jüngst vollendeten Carmody Groarke ein temporäres Maggie's Cancer Caring Center. Allerdings für gerade einmal drei Prozent der durchschnittlichen Bausumme, die Architekten wie Frank Gehry, Zaha Hadid oder OMA für ihre – zugegeben dauerhaften – Pavillons der bekannten Krebsstiftung benötigten. „Wir müssen heute anders bauen können – anpassungsfähig, improvisiert, kostengünstig – und trotzdem gut“, sagt Kevin Carmody. Und das bedeutet, wie im Falle des Maggie’s Center, mit dem Vorgefundenen zurecht zu kommen und daraus eine überzeugende Idee zu entwickeln. Die Fassadenelemente der wieder abgebauten „Filling Station“, ein günstig abzugebendes Fertighauselement mit Panoramafenster aus den Olympiabeständen, sechs Transportcontainer und vier Kilometer gespendete Holzleisten waren das Ausgangsmaterial. Ein beeindruckender „Raum mit Blick in die Landschaft“ ist entstanden, der Krebspatienten und ihren Familien einen Rückzugsort und seelische Unterstützung im Klinikalltag bieten soll.

Mittlerweile arbeitet das Büro auch an umfangreicheren "Erwachsenenprojekten", wie sie diese selbst schmunzelnd nennen. Ein Museum für historische Dampfschiffe und Boote beispielsweise. Doch wieder handelt es sich um ein Projekt, in dem Zeit, Identität, die Gegenwart und das Bewahren zum Thema werden.

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