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Farshid Moussavi | Farshid Moussavi Architecture | London

Am 23. November präsentierte Farshid Moussavi von "Farshid Moussavi Architecture" ihren Vortrag

November Reihe 2016 in Stuttgart

Die dritte Referentin der Stuttgarter November Reihe, Farshid Moussavi lehrt an so renommierten Hochschulen wie der Architectural Association (AA) in London oder an der Harvard Graduate School of Design in Cambridge MA. Sie ist Architekturtheoretikerin und hat soeben ihr drittes Buch veröffentlicht.

Das ist bemerkenswert für eine Architektin, die auch in der Praxis Maßstäbe setzt und aktuell ihr zweites erfolgreiches Büro, Farshid Moussavi Architects leitet. Bekannt wurde sie mit ihrem 1993 gegründeten Büro Foreign Office Architects – FOA, insbesondere mit dem 2002 fertig gestellte Fährterminal von Yokohama. Das ungewöhnliche Holzdeck des Infrastrukturprojekts begeisterte die Fachwelt und ist auch heute noch eine Referenz, die Farshid Moussavi in ihrem Vortrag an der Uni Stuttgart gerne erwähnt.

Doch zunächst gibt sie einen Einblick in ihr neues Buch „The Funktion of Style“. Sie beschreibt, wie die Frage nach dem Stil in einer zeitgenössischen Architekturdebatte verloren ging, weil er scheinbar nur formale Ziele bediene. Eine sich ständig verändernde Welt – als Beispiel erwähnt die in London arbeitende Moussavi den „Brexit“, der schlagartig dazu führt, das Projekte überdacht, bestimmte Produkte nicht mehr zugänglich sind oder die internationale Zusammenarbeit erschwert wird – verlange danach, dass Konzepte und Methoden der architektonischen Praxis ebenso ständig hinterfragt, neu definiert und angepasst werden müssen. Moussavi wirbt dafür, auch den Begriff des Stils neu zu definieren – sie vermutet in ihm eine Hilfestellung zeitgenössischen Bauens und Entwerfens.

Was ist die Funktion von Stil?

In Zeiten von Open Source und Internationalisierung kann Stil nicht mehr ein Ausdruck von Autorenschaft oder Nationalstaat sein. Selbst die Benennung eines Stils nach Entstehungszeit und Epoche hält Moussavi für überkommen. Stattdessen proklamiert sie die Rückbesinnung auf das architektonische Grundelement und unterstreicht die mikropolitische Entscheidung des Architekten, die er mit jeder Anordnung dieser Grundelemente vornimmt. Effekte und Auswirkungen architektonischer Entscheidungen, wie beispielsweise Flexibilität, Privatheit oder Transparenz bezeichnet Farshid Moussavi als Stil, den es bewusst zu gestalten und zu entwerfen gilt. Mit Akribie und Genauigkeit analysiert sie daher Wand, Fenster, Balkon, Decke etc. und untersucht die verschiedenen Effekte, die die eine oder andere architektonische Entscheidung auf den Nutzer und sein Verhalten haben könnte.

Banal? Mitnichten! Denn spannend wird es für die Zuhörer, als die Referentin diese „Grundlagenforschung der Architektur“ auf ihre Praxis überträgt und an ausgewählten Details präzise erläutert, welche Überlegungen und Abwägungen sich hinter der jeweiligen architektonischen Setzung verbergen. Sie wirbt füreine Architektur der Assemblage, des Hinzufügens und im Prozess mit jedem neuen Bauteil spezifisch entscheiden, um reaktiv zu bleiben, in einer von der Veränderung bestimmten Gegenwart. Diese Art des Entwerfens scheint ihr nachhaltiger und widerstandfähiger zu sein, als eine einzige strukturbestimmende Entwurfsidee, die konsequent bis ins Detail umgesetzt werden muss.„Daher liebe ich Werkpläne! Sie sind voller wichtiger architektonischer Entscheidungen“, schließt Farhid Moussavi ihre theoretische Einführung um nun an einigen Projekten – meist mit Baustellenfotos illustriert – zu zeigen, was dieser Ansatz in der Praxis bedeutet.

Wohngebäude in Montpellier

Die Idee des spezifisch zusammengestellten Gebäudes, der Assemblage erläutert sie am Beispiel eines neunstöckigen Apartmentturms im südfranzösischen Montpellier. Zwei Ziele soll der Bau erfüllen: Flexibilität der Grundrisse und maximale Privatsphäre im Außenraum. Während eine grundsätzliche Varianz der blütenförmigen Grundrisse durch einen innen liegenden Servicekern und Stützenfreiheit leicht nachvollziehbar ist, erklärt Moussavi die maximale Privatheit der umlaufenden Balkone buchstäblich im Detail. Von jedem der drei vorhandenen Balkontypen wurden mögliche Sichtbeziehungen zum Nachbarn genauestens untersucht. Die Ausrichtung der gekrümmten Balkone ändert sich je nach Geschossebene und läuft in einer sanften Kurve zur Fassade aus, um den Blick in die Landschaft zu öffnen und Trennwände zum Nachbarbalkon zu vermeiden. Kritische Zonen, in denen doch neugierige Blicke auf den Balkon des Nachbarn fallen könnten, werden mit einer spezifisch angepassten, engen Rasterung der Geländer „entschärft“.

Museum für zeitgenössische Kunst in Cleveland

In Cleveland entwarf das Büro ein Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst, das MOCA. Der Wunsch nach Nutzungsflexibilität war hier der Ausgangspunkt desArbeit von FMA.Auf der Grundfläche eines Hexagons erhebt sich ein kristallartiger Baukörper, der durch seinen Grundriss mit mehreren Eingängen verschiedene Szenarien ermöglicht. Die Räume sind multifunktional. Sie können zusammengeschaltet oder getrennt vermietet werden, wenige Handgriffe machen aus dem Museumsshop einen Vorführraum für Tanzperformances. Aus der Not einer abgeschlossenen Fluchttreppe machten FMA eine Tugend. Während eine repräsentative und zur Kommunikation anregende Freitreppe offen durch die Galerieebenen führt, versteckt sich direkt darunter eine zweite Treppe, die als kontemplativer Ort den Besuchern eine visuelle und akustische Pause zwischen den Ausstellungen gönnen soll. Das Gebäude ist mit einer spiegelnden Edelstahlfassade verkleidet, allerdings ergeben sich durch leichte Dellen in den streifenförmig angeordneten Panellen Zerrbilder: Wie ein Kaleidoskop wird die Umgebung einerseits reflektiert und doch transformiert.

Büroturm in London

Den Abschluss des Vortrags bildet die Vorstellung eines 17-geschossigen Bürohochhauses in der Londoner City, mit einem unregelmäßigen Achteck als Grundfläche. Das Gebäude ist aufgrund der Nachbarbebauungen immer nur partiell und ausschnitthaft sichtbar, sollte aber dennoch als ein markantes Objekt in der Stadt wahrnehmbar sein. Als besonderes Detail erklärt die Architektin daher die einheitliche Fassade, ein Vorhang aus schwarzen Glaspanelen, derauf einem kleinteiligen Drei-Meter-Raster beruht. Die konkav gebogenen Scheiben ermöglichen verschiedene Stufen der Transluzenz sowie des Ausblicks und erzeugen im Gesamten dennoch eine geschlossen wirkende Ansicht.

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