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Erinnerungen machen einen Ort zu einem Ort | Ada Karmi-Melamede

November Reihe 2015 in Prag

Die erste November Reihe in Prag wurde mit einem Vortrag der bedeuten israelischen Architektin Ada Karmi-Melamede beendet. Einleitend widmete sich Karmi-Melamede der Geschichte der verschiedenen modernen architektonischen Stilrichtungen des 20. Jahrhundert und ihren eigenen Erfahrungen damit, nachfolgend sprach sie über die gegenwärtige, etwas chaotische architektonische Praxis.

Das 20. Jahrhundert brachte eine große Veränderung in der architektonischen Gestaltung mit sich, es trat ein Identitäts- und Hierarchieverlust der einzelnen Elemente und somit der Sozialordnung ein. Der technische Fortschritt ermöglichte eine freie Gestaltung der Grundrisse und Fassaden, die nunmehr unabhängig von strukturellen und liefertechnischen Anforderungen waren. Das ging mit einer Fragmentierung und Zerstörung von Ordnungssystemen und einer neuen Besessenheit nach Verpackung und Oberfläche der Bauten einher.

Anhand einiger grafischer Darstellungen stellte Ada Karmi-Melamede die Grundthesen ihrer Arbeit vor, nach welchen sie zwischen zwei Gesichtern von Gebäuden oder – anders ausgedrückt – von Umgebung im Allgemeinen, unterscheidet: Zwischen dem öffentlichen und dem privaten Gesicht. Dabei stellen beide ein jeweils anderes Ziel dar und bedienen sich unterschiedlicher Mittel, um es zu erreichen.

Am Beispiel eines Einfamilienhauses stellte Karmi-Melamede eine nach einer festen Ordnung gestaltete Fassade an der Straßenseite des Hauses vor, sowie eine frei gestaltete Fassade an der Gartenseite. Auch das in klassischer Form ausgearbeitete Eingangsportal genügt zwei unterschiedlichen Bedingungen – es wurde hier sowohl ein großer Eingang für die Öffentlichkeit berücksichtigt, als auch eine kleine Tür für den privaten Gebrauch.

Eine große Bedeutung schreibt Karmi-Melamede dem Licht und dem Raum zu. So hält sie den Raum für ein einmaliges Material, eine Basiseinheit der Arbeit, die nach Belieben umgestaltet und verändert werden kann. Die Aufgabe von Architektur liege für sie nicht darin, einen Raum zu besetzen und aufzulösen, sondern darin, den Raum zu einem Ort umzugestalten. Denn ein Ort sei erst dann ein Ort, wenn mit ihm Menschen Erinnerungen verbinden.

Wie Ada Karmi-Melamede sagt, kommt sie von dort, wo der Stein weich, deshalb porös und verletzlich ist, wo Ziegelsteine vor Ort produziert werden und deshalb günstig sind, wo Schatten, Wasser und Grünes selten sind und das Licht hingegen im Überschuss vorhanden ist. Deshalb sei für sie das Licht das günstigste und beste Baumaterial.

Anhand eines nicht realisierten Projekts, des von Louis Kahn geplanten Baus einer Synagoge, wurde ein schönes Beispiel einer zweischichtigen Gestaltung vorgestellt. Eine Art Gebäude im Gebäude, das seine eigenen Räume bildet.

Im Hauptteil ihres Vortrags stellte Ada Karmi-Melamede ihr Projekt vor, das Oberste Gericht in Jerusalem (The Supreme Court), das zu ihren bedeutendsten Bauten gehört. Das Bauwerk verbindet einige wichtige städtische Einrichtungen. Die markante Nord-Süd-Achse verbindet den städtischen Busbahnhof mit dem Sitz des Parlaments und bildet ein bedeutsames Element in der Baukomposition. Die Ost-West-Achse stellt eine Verbindung zwischen Parkanlagen und dem Universitätscampus Givat Ram dar. Diese Basisgeometrie teilt das Gebäude in vier Substanzen, die vier unterschiedliche Funktionen haben: Bibliothek, Gerichtssaal, Büros der Richter und Parkanlage.

Die Bibliothek ist ein atypisches Gebäude mit einer Pyramide im Innenraum. Die Pyramide wird vom natürlichen Licht umgeben, welches die überwiegend als Foyer dienende und der Öffentlichkeit zugängliche Eingangsebene beleuchtet. Die höheren Etagen der Bibliothek werden von den Richtern genutzt. Von der Haupteingangsebene vor den Gerichtsräumen kann man ein Aufeinandertreffen zweier Formen und Materialen erkennen. Die Steinmauer mit ihren kleinen Öffnungen symbolisiert Stabilität und Bodenständigkeit, die abgerundeten verputzten Kanten hingegen ragen zum Himmel empor. Die Formen berühren einander nicht und ermöglichen so Lichteffekte zwischen den unterschiedlichen Substanzen, gleichzeitig wird so für eine natürliche Oberbeleuchtung gesorgt.

Ihre Gestaltungsprinzipien hat Ada Karmi-Melamede auch am Beispiel eines ihrer weiteren bedeutsamen Projekte vorgestellt, dem Universitätscampus Open University – Ra’anana. Der Innenraum des Gebäudekomplexes wird von einem öffentlichen Platz gebildet, rundherum befinden sich alle öffentliche Funktionsräume und Gemeinschaftsräume für Studenten, samt einer Bibliothek und eines Vorlesungssaals unter dem Platz. Karmi-Melamedes Arbeit mit unterschiedlichen Höhen des Terrains zeichnet sich durch Sensibilität aus. Den Betrachtungswinkel von unten hat Karmi-Melamede mit einem Blick auf Bäume verglichen, denn nur so – von unten aus betrachtet – sind sie stattlich und majestätisch. Die öffentliche und die private Funktion werden durch die Verwendung verschiedener Materialen voneinander unterschieden – Stein für den privaten Teil des Campus und Beton für den für die Öffentlichkeit bestimmten Teil.

Einen Teil des Gebäudekomplexes nimmt eine Synagoge mit ihrer verglasten Fassade im Eingangsbereich ein, an der Nordseite des Gebäudes. Das Bauwerk wurde auf einen untypischen, die Form eines Viertelkreises nachahmenden Grundriss gesetzt. Ein zentrales Element im Innenraum aus Holzlamellen hebt die einmalige Arbeit durch Licht hervor. Durch die Verbindung von politischer Fakultät (School of Government and Policy) und Handelsfakultät (School of Business) entsteht ein gemeinsames Gebäude, welches von den Studenten als Treffpunkt genutzt wird und im übertragenem Sinne das Aufeinandertreffen von politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten symbolisiert.

Das Gebäude wurde zum Teil unter die Bodengrenze gesetzt, wodurch eine als Innenhof genutzte Ebene entstanden ist. Karmi-Melamede hat an dieser Stelle ein Konzept einer verglasten Fassade vorgestellt: Die Fläche hinter der Fassade wird nicht als offener Raum genutzt, vielmehr kommen hier Mobilitätselemente in Form von Treppen und Brücken zum Einsatz. Eine tragende Wand mit einer für alle Medien ausreichenden Dicke bildet dank eines Fensterrasters den Innenraum der Universität.

Das letzte präsentierte Projekt, das Besucherzentrum Ramat Hanadiv, bietet einen geeigneten Raum für Ausstellungen und Bildungsveranstaltungen. Es ist von zahlreichen, gleichnamigen, in Form von Erdwällen angelegten Gärten, die durch Hecken voneinander abgetrennt sind, umgeben. Neben dem Gebäude befindet sich eine Parkfläche. Die Gebäude sind unterirdisch gebaut, die Dächer zeichnen sich durch eine starke Neigung aus und sind komplett bepflanzt. Sie stehen einander gegenüber. Getrennt durch Licht repräsentieren sie eine klare Symbolik und bilden eine Passage, die von der Öffentlichkeit genutzt wird. Eine Passage, die Licht und Schatten zugleich symbolisiert.

Ihren Vortrag hielt Ada Karmi-Melamede mit einer inspirierenden Ausführung zur gegenwärtigen Architektur und ihren Richtungen. Es stellen sich zwei zentrale Fragen: Wie soll Neues genutzt werden? Was soll vom Alten beibehalten werden?

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