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ARCH+ Praktikum | Sascha Kellermann | Blog 01/2020

Europäisches Gefüge

Projektrecherche für ARCH+ 239 Foto: Sascha Kellermann

Ein Ende der Geschichte wie es Francis Fukuyama Anfang der 1990er-Jahre kommen sah, ist nicht eingetreten. In Anbetracht aktueller globaler Krisen erscheint seine Prognose heute sogar naiv. Auch in Europa grassieren Bankenkrisen, Staatsschuldenkrisen, Wirtschaftskrisen und die sogenannte Flüchtlingskrise. Wir beobachten eine autoritäre Wende und die Polarisierung von Politik und Gesellschaft durch rechte Strömungen. Dabei wird vor allem über homogene Völker, nationale Identität und staatliche Sicherheit gestritten.

Europa lässt sich jedoch nicht auf einfache Ursprungsmythen reduzieren. Auch die repräsentativen Architekturen der EU-Institutionen in Brüssel, Straßburg und Luxemburg genügen nur unzureichend als Symbol für den Staatenbund. Europa muss vielmehr als ein komplexes infrastrukturelles Gefüge verstanden werden, welches das Leben bis in die kleinsten Bereiche des Alltags durchdringt und ermöglicht: Zug-, Luft- und Straßenverbindungen, Elektrizitäts-, Gas- und Wasserleitungen, Netzwerkkabeln, Satelliten, Sonden und Funktürme, Radio- und Telekommunikationsfrequenzen et cetera.

Deutschland tritt diesen Sommer turnusmäßig den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft an. Der Schwerpunkt dieser halbjährigen Amtszeit soll unter anderem auf einer neuen EU-Afrika-Strategie liegen. Dies nimmt die ARCH+ Ausgabe 239 zum Anlass, Europa als Infrastruktur zu diskutieren, herauszufinden, was Europa als infrastrukturelle Bedingung ermöglicht und zu zeigen, dass Europa ein nicht klar abzugrenzender geopolitischer Raum ist. Europa endet nicht einfach hinter seinen geografischen Grenzen. Dies zeigt sich sowohl in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika, in denen Afrika als ein profitabler Zukunftsmarkt gesehen wird, als auch im Aufbau eines rigorosen Grenzregimes. Dabei geht die EU sogenannte Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Staaten ein, um die Migration aus Nordafrika und dem Raum der Subsahara zu verhindern.

Zurzeit gehen die letzten Textbeiträge und Essays bei uns ein und werden übersetzt, lektoriert und redigiert. Zusätzlich begeben wir uns auf eine intensive Projektrecherche, um den verschiedenen theoretischen Positionen die Präsentation von konkreten Bauwerken gegenüberzustellen. So wird deutlich, welche räumlichen Strategien mit Infrastrukturen verfolgt werden und wie man sie als politisches Mittel nutzen kann: In Infrastrukturen kommen real existierende Verhältnisse zum Vorschein. Damit öffnet sich hier ein Feld für die politische Auseinandersetzung. Da private Wirtschaftsinteressen dem Ausbau öffentlicher Güter meist gegenüberstehen, muss eine europäische Gesellschaft um Infrastrukturen für gute Bildung, Gesundheitsversorgung, Pflege, Mobilität, Energieversorgung und das Wohnen-für-alle kämpfen.

Sascha Kellermann

Sascha Kellermann studierte Architektur an der TU Dresden, arbeitete in Architekturbüros in Zürich und Berlin, und ist Redakteur des Online-Magazins kritisch-lesen.de. Im Rahmen seiner Arbeit zu europäischen Grenzregimen entstand der Dokumentarfilm „Am Rande Europas“.

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