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ARCH+ Praktikum | Lennard Flörke | Blog 01/2020

Von Grenzen und Pipelines

Projektrecherche für ARCH+ 239 Foto: Lennard Flörke

Der zweite Abschnitt meiner Stipendienzeit bei ARCH+ war bestimmt durch die Arbeit an Ausgabe 239. Die Publikation untersucht die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Kontinents Europa als infrastrukturelles Gefüge. Im Zuge dieser Betrachtung wird Fragen nach der Raumproduktion dieser Infrastrukturen und deren politischer Instrumentalisierung nachgegangen.

Die Definition als Infrastruktur macht vor allem deutlich, dass Europa kein klar abzugrenzender geopolitischer Raum ist. Über seine geografischen Grenzen hinaus schafft das infrastrukturelle Ausgreifen Europas globale Abhängigkeitsverhältnisse. Aus aktuellem Anlass richtet sich der Blick der Ausgabe auf die langjährigen Beziehungen mit dem afrikanischen Kontinent. Neben der Aufarbeitung der Geschichte der EU, deren Gründung nicht nur als Friedensprojekt angelegt, sondern auch durch kolonialistische Motive geprägt war, werden daher auch die Infrastrukturen, die das europäische Grenzregime auf dem afrikanischen Kontinent in den letzten Jahren installiert hat, thematisiert.

Nachdem ich während meiner ersten Wochen bei ARCH+ die finalen Phasen einer Heftproduktion begleitet habe, ist es nun spannend zu sehen, wie die Konzeptfindung einer Ausgabe verläuft, wie einzelne Schwerpunkte innerhalb einer Thematik diskutiert und gesetzt, Autoren recherchiert und Thesen gesammelt werden. Die letzten Wochen habe ich der Recherche von Projekten gewidmet, die die Aussagen der Essays stützen und das abstrakte Thema der Infrastruktur räumlich darstellen.

Für die Projektrecherche besuchte ich so im Februar auch den „Außenwirtschaftstag Architektur, Planen und Bauen“ im Auswärtigen Amt in Berlin unter dem Motto „Europa und Afrika – Gemeinsam neue Partnerschaften bauen“. In den verschiedenen Paneldiskussionen und Workshops sollten Vertreter*innen der Baubranche im Dialog mit der Politik die Perspektiven des deutschen Engagements in Afrika diskutieren.

Die Thematisierung von Migrationskontrolle als prägendes Motiv einer europäischen „Entwicklungshilfe“ blieb auf der Tagung aus. Der Blick auf den Kontinent als „interessanten Markt mit großem Zukunftspotenzial“ ließ vielmehr die Frage nach einer Weiterführung der kolonialen Ausbeutung Afrikas aufkommen, bei der an Stelle der Rohstoffe nun die aus Investitionen europäischer Akteure resultierten Renditen getreten sind. Die wachsenden Wirtschaften auf dem afrikanischen Kontinent scheinen vor allem Möglichkeiten der Kapitalvermehrung für europäischen Unternehmen darzustellen. So helfen die Investitionen dem afrikanischen Kontinent nicht weiter, sondern stellen letztlich zusätzliche Faktoren eines wachsenden Gefälles zwischen globalem Süden und globalem Norden dar.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ließ mich die Veranstaltung, bei der fast ausschließlich weiße Wirtschaftsvertreter*innen über die Zukunft Afrikas diskutierten und in den Pausen durch schwarze Menschen traditionelle afrikanische Speisen serviert bekamen, sehr nachdenklich zurück. Nichtsdestotrotz schätze ich durch Erfahrungen wie diese die Arbeit an der Ausgabe 239 sehr, da sie mir die politische Gewichtung der Tätigkeit von ARCH+ und die Wichtigkeit dieser noch einmal vor Augen ruft.

Lennard Flörke

Lennard Flörke studiert Architektur an der RWTH Aachen. Für ihn ist Architektur in erster Linie ein vermittelndes Medium zwischen Theorie und Praxis, sie reicht von Fragen über Gesellschaftsbildung bis zur Gestaltung einer Türklinke. Die Mitarbeit am Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens bei Prof. Anne-Julchen Bernhardt und die damit verbundene Auseinandersetzung mit einem diskursiven Entwurfsprozess bekräftigte ihn in seiner Auffassung. Das Praktikum bei der ARCH+ gibt ihm die Gelegenheit, der kritischen Reflexion des gesellschaftlichen Anspruchs von Architektur und den interdisziplinären Schnittstellen weiter nachzugehen und so neue Schwerpunkte neben einer vorwiegend formalen Entwurfslehre durch das Studium setzen.

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